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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Mutter das liebste; zuletzt muß die Unglückliche eingestehn, die Wahl falle ihr unmöglich; und daß es besser sey, daß alle das allgemeine Schicksal theilen.
    Im zweiten Akt sieht man das Hussitenlager. Die Krieger mit drohenden Zügen, und einer so rauhen und eisernen Außenseite, ruhen unter ihren Zelten. Ein fernes Geräusch stört ihre Ruhe; sie lauschen; sie entdecken in der Ebene einen langen Zug von Kindern, deren jedes einen Eichenzweig in der Hand hält; sie begreifen nicht, was dieses bedeute, fassen ihre Speere und stellen sich an den Eingang des Lagers, um einen Ueberfall zu verhindern. Die Kinder gehen ohne Furcht auf den Lanzenwald zu, und die Hussiten treten allmählig und unwillkürlich zurück, so wie jene sich nähern, unmuthig über ihre Menschlichkeit, und einer ungewohnten Empfindung sich bewußt und sich schämend. Procop tritt aus dem Zelte, läßt sich den Bürgermeister vorführen, der von ferne den Kindern gefolgt war, und befiehlt ihm, seine Söhne zu nennen. Der Bürgermeister weigert sich; die Soldaten müssen ihn, auf Befehl des Feldherrn, ergreifen, und in diesem Augenblick stürzen die vier Knaben hervor und umklammern den Vater. «Jetzt kennst Du sie alle,» spricht der Bürgermeister zu Procop; «sie selber haben sich genannt.» Das Stück schließt glücklich; der dritte Akt ist ein großes Freuden- und Erlösungsfest; aber der zweite ist von großer Wirkung auf dem Theater.
    Romanenscenen machen das ganze Verdienst der Kreuzfahrer aus. Ein junges Mädchen, in der Meinung, ihr Liebhaber sei im Kriege geblieben, ist nach Jerusalem in ein Kloster gegangen, worin Kranke und Verwundete gepflegt werden. Man bringt einen Ritter ins Kloster; er ist schwer verwundet. Die Nonne tritt verschleiert ins Krankenzimmer, kniet, ohne die Augen aufzuheben, nieder, und fängt an, die Wunde zu verbinden. Zufälligerweise, und mitten im Schmerze, spricht der Ritter halblaut den Namen seiner Geliebten aus; diese Geliebte ist sie; sie erkennt ihn. Er will sie entführen; die Aebtissin erfährt das Geheimniß, erfährt, daß die Nonne einverstanden sei, spricht ihr in der Wuth das Urtheil, lebendig begraben zu werden. Der unglückliche Ritter schleicht vergebens um die Klostermauern, hört schon in der Kirche die Orgel und die Todtenfeier für die noch Lebende und ihn Liebende. Die Lage ist herzzerreißend; aber alles löset sich glücklich auf. Türken, vom jungen Ritter angeführt, stürmen das Kloster, befreien die Schöne. Ein Kloster in Asien wird im dreizehnten Jahrhundert gerade so behandelt, wie die Nonnen in den Victimes cloîtrées von Monvel, zur Zeit der Revolution; so wenig Unterschied weiß Kotzebue zwischen Kloster und Kloster, Jahrhundert und Jahrhundert zu machen; einige humane, und ziemlich lockere Sentenzen führen das Stück zum Schluß, und alles geht fröhlich und befriedigt nach Hause.
    Kotzebue hat ebenfalls aus der Anekdote der Verhaftung des Hugo Grotius, auf Befehl des Prinzen von Oranien, und aus seiner Befreiung mit Hülfe einiger Freunde, die ihn in einem Bücherkasten aus dem Gefängniß schaffen, ein Schauspiel gemacht. Er dichtet in diesem Stücke überaus interessante Situationen; unter andern erfährt ein junger Officier, Liebhaber der Tochter des Grotius, von ihr selbst die Absicht, dem Vater zur Freiheit zu verhelfen, verspricht sogar, ihr in der Ausführung behülflich zu seyn; der Commandant, sein Freund, vertraut ihm auf vierundzwanzig Stunden die Festungsschlüssel, weil er sie so lange verlassen muß. Todesstrafe war auf den gesetzt, der den Gefangenen entweichen lassen würde, sollte es der Commandant selbst seyn. Der junge Lieutenant, der sich für seines Freundes Leben verantwortlich gemacht, so lange er dessen Stelle vertritt, verhindert den Rettungsplan des Vaters seiner Geliebten, und bringt ihn im Augenblick, wo er in den Kahn treten wollte, ins Gefängniß zurück. Er erträgt mit Heldenmuth die Vorwürfe, den ganzen Unwillen des jungen Mädchens, die ihn für meineidig hält; itzt kömmt der Commandant zurück, nimmt seine Stelle wieder ein; Grotius Rettung wird ein zweitesmal versucht, gelingt, und der junge Krieger weiß durch eine edle Lüge von den Schuldigen die Todesstrafe auf sich zu lenken. Seine Freude, als der über ihn ausgesprochene Tod seiner Geliebten die Augen öffnet, ihr die Achtung für ihn abzwingt, ist von großer theatralischer Wirkung; zuletzt zeigt sich aber so viel Edelmuth nicht nur in Grotius, der freiwillig ins Gefängniß

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