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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Riesen, schrecklich anzusehen;
Dort über jener Stelle,
Auf die der Alte stand in Sonnenhelle?
    Edecon.
Ich seh' nur Raben, die in vollen Zügen,
Nach Lebensnahrung zu den Todten fliegen.
    Attila.
Nein, ein gespenstig Wesen,
Und das vielleicht, das binden kann und lösen.
Denn als der Greis die Worte
Gesprochen, flammt' es auf an jenem Orte,
Mit drohenden Gebehrden,
Das Haupt am Himmel und den Fuß auf Erden! –
Da steht es, ohne Regen,
Und hält ein feurig Richtschwert mir entgegen.
    Edecon.
Ich sehe nur der Sonne Feuergluthen,
Die von den Kuppeln Roms herniederfluthen. 
    Attila.
Ein Tempel von Gold, mit Perlen geschmücket,
Er trägt ihn auf silberumlocketem Haupt,
Und während die Rechte das Flammenschwert zücket,
Erhebet die Linke, mit Rosen umlaubt
Zwei Schlüssel von Erz, die Strahlen ergießen,
Als ob sie, die Thore Walhalla's  zu schließen,
Der Riese den Händen des Wodan geraubt.
     [Walhalla ist das Paradies, und Wodan der Hauptgott der Scandinavier.]
    Von diesem Augenblick wirkt die christliche Religion auf Attila's Seele, und, dem Glauben seiner Vater widerstrebend, giebt er seinem Heere den Befehl, sich von Rom zu entfernen.
    Man wünschte, das Trauerspiel hier endigen zu sehen, und es enthält Schönheiten für mehr als ein Stück. Aber es folgt noch ein fünfter Act, in welchem Leo, für einen Papst viel zu tief in die Theorie der mystischen Liebe eingeweihet, in derselben Nacht, wo Hildegunde sich mit Attila vermählt, und ihn ermordet, die Prinzessin Honoria in Attila's Lager begleitet. Der Papst, der diese Begebenheit vorherweiß, sagt sie vorher, ohne sie zu verhindern, denn Attila's Schicksal muß in Erfüllung gehen. Honoria und Leo beten für ihn auf der Bühne: Das Stück schließt mit einem Halleluja, erhebt sich gen Himmel wie ein poetischer Weihrauch, und verdunstet anstatt zu enden.
    In Werners Versen liegen Schätze und Geheimnisse der Harmonie verborgen; es ist unmöglich, die Schönheit seiner Reimkunst in das Französische überzutragen. Ich erinnere mich unter andern an eine Stelle eines aus der polnischen Geschichte entlehnten Trauerspieles, wo er ein Chor junger Schatten in den Lüften erscheinen läßt. Dieses Chor ist von der größten Wirkung. Werner giebt der teutschen Sprache so viel Weichheit, so viel Sanftes, daß die ermüdeten und antheillosen Schatten nur halbgebildete Töne zu athmen scheinen; jedes Wort, jeder Endreim von ihnen scheint so zu sagen zu verdunsten. Der Sinn der Worte trift mit der Lage vortreflich zusammen; sie malen eine kalte Ruhe, einen verwischten Blick; man hört in ihnen den fernen Nachhall des Lebens, und der blasse Wiederschein ausgelöschter Eindrücke verbreitet über die Natur einen Wolkenschleier. '
    Wenn man in Werner Schatten findet, die einst lebten, so findet man auch in seinen Stücken fantastische Personen, die noch nicht gelebt zu haben scheinen. In Beaumarchais's Prolog zu Tarare frägt ein Genius Wesen der Einbildungskraft, ob sie geboren seyn wollen; eines von ihnen giebt zur Antwort: Ich spüre noch nicht die geringste Neigung dazu. Diese witzige Antwort ließe sich sehr gut auf den größten Theil der allegorischen Figuren anwenden, die man so gern auf die teutsche Bühne bringt.
    Werner hat über die Templer ein Stück in zwei Bänden, die Söhne des Thales , geschrieben. Es ist für diejenigen, die in die Lehre der geheimen Orden eingeweihet sind, von großem Interesse, denn man findet eher den Geist dieser Orden darin, als die historische Farbe derselben. Der Dichter sucht die Freimaurer an die Templer zu knüpfen; er bemüht sich zu zeigen, daß die nämlichen Ueberlieferungen, und der nämliche Geist in ihnen unveränderlich gewebt und gewaltet hat. Werners Phantasie findet großes Vergnügen an Verbindungen, die die Spur des Uebernatürlichen an sich tragen, weil sie auf eine außerordentliche Weise die Kraft jedes Einzelnen dadurch vervielfältigen, daß sie Allen dieselbe Tendenz geben. Dieses Stück, oder vielmehr dieses Gedicht, die Söhne des Thales, hat in Deutschland eine große Wirkung hervorgebracht; ich zweifle, ob es in Frankreich Glück machen würde.
    Eine merkwürdige Arbeit Werners hat zur Absicht, die Einführung des Christenthums in Preußen und Lievland zu schildern. Dieser dramatische Roman, (er heißt das Kreuz an der Ostsee ) trägt das lebendige Gepräge von allem, was den Norden charakterisirte, beschreibt das Bernsteinsammeln, die eisstarren Berge, das rauhe Clima, die schnelle Entwicklung der

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