Ueber Deutschland
Paradekutschen von den unscheinbarsten Miethswagen unterbrochen werden. Der Kaiser und seine Brüder schließen sich, wie alle übrigen, der Reihe an, und wollen bei einem gemeinschaftlichen Vergnügen nicht mehr ausgezeichnet seyn, als jeder Privatmann. Sie bedienen sich ihrer Rechte, nur wann sie ihre Pflichten erfüllen. Man bemerkt oft in diesem bunten Gewimmel, orientalische, ungarische, polnische Trachten. Diese regen die Einbildungskraft auf, so wie in gewissen Entfernungen aufgestellte Musikchöre durch ihre Harmonie, dem Haufen das Ansehen eines ruhigen Landfestes geben, wo jeder für sich genießt, ohne sich um seine Nachbarn zu bekümmern.
Nie stößt man in diesen Versammlungen auf Bettler; überhaupt sieht man keine auf den Straßen in Wien; in den Armenanstalten herrscht eine große Ordnung, eine schöne Liberalität; die Gaben der öffentlichen und Privat-Wohlthätigkeil werden mit großer Gleichheit und Genauigkeit vertheilt und angewandt, und da im Volke überhaupt mehr Industrie und Handelsgeist herrscht als im übrigen Deutschland, so weiß es diesen Theil der Verwaltung gehörig zu leiten. Es giebt in Oestreich wenig Verbrecher, die den Tod verdienen; alles trägt in diesem Lande das Gepräge einer väterlichen, weisen und religiösen Regierung. Die Grundlagen des gesellschaftlichen Gebäudes sind gut und ehrwürdig;
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aber noch müssen Kuppeln und Säulen dazu kommen, wenn es der Tempel des Ruhms und des Genies werden soll. «
[Von der Censur gestrichen.]
Ich war im Jahr 1808 in Wien, als der Kaiser Franz II. sich mit der Tochter seines Vaterbruders, des verstorbenen Erzherzogs von Mailand und der Erzherzogin Beatrix, der letzten Prinzessin aus dem Hause Este, vermählte, welches Ariost und Taßo um die Wette besangen. Der Erzherzog Ferdinand und seine erhabene Gattin sahen sich beide ihrer Länder durch die Kriegsereignisse beraubt, und die in jenen grausamen Zeiten [Von der Censur gestrichen.] erzogene junge Kaiserin vereinigte in sich das doppelte Interesse der Größe und des Unglücks. Die Neigung allein, sonst keine politische Rücksicht, schloß diese, in jeder Hinsicht ehrenvolle Verbindung. Man fühlte zugleich eine geheime Sympathie und eine tiefe Ehrfurcht, je nachdem man an den Familienbund dachte, der eine solche Ehe den unsrigen näher rückte, oder an den hohen Rang, der sie so weit von uns entfernte. Ein junger Prinz aus der kaiserlichen Familie, der Bischof von Waizen, traute seinen Souverain mit seiner Schwester; die Mutter der Kaiserin, deren Tugenden und Einsichten mächtig über ihre Kinder walten, stieg in der Zeit eines Augenblicks zu den Unterthanen ihrer Tochter herab, und trat mit einem Gemisch von Nachgiebigkeit und Würde hinter ihr einher, welches zugleich an die Rechte der Krone und an die der Natur mahnte. Die Brüder des Kaisers und der Kaiserin, insgesammt Diener des Staats im Felde oder im Cabinett, auf höhern oder niedrigern Stufen, und alle gleich sehr dem öffentlichen Wohl ergeben, folgten dem kaiserlichen Paare zur Kirche, in welcher die Großen der Monarchie, die Gemahlinnen, Töchter und Mütter der ältesten Edelleute aus den germanischen Stämmen versammelt waren. Man hatte zur Verherrlichung des Festes keine neue Bestellungen gemacht; hinreichend wars zur Pracht, was man bereits besaß, zur Schau zu bringen. Das Geschmeide der Damen war ein Familiengut; ihre Juwelen, von Mutter auf Tochter vererbt, schmückten die Jugend mit den Erinnerungen der Vorzeit; das ehrwürdige Alter der Jahrhunderte zeigte sich in der Gegenwart, und dem Auge strahlte eine Pracht entgegen, die das Werk mehrerer Zeitalter war, die aber dem Volke keine neuen Opfer kostete.
Die Hoffeste, die auf das Vermählungsfest folgten, entwickelten beinahe eben so viel Würde, als jenes. Familienfeste im Volke können anderer Gattung seyn; vielleicht aber ist es schicklich, wenn Monarchen, allem, was sie thun, den hohen Stempel ihrer erhabenen Bestimmung aufdrücken.
Nicht weit von der Kirche, vor welcher aufgefahrne Kanonen und aufgestellte Musikchöre die erneute Verbindung der Häuser Este und Habsburg, verkündeten, sieht man den Ort, welcher seit zweihundert Jahren die Grabstätte der Kaiser von Oestreich und ihres Hauses ist. Hier, in der Capuzinergruft, hörte dreißig Jahre hinter einander Maria Theresia täglich die Messe im Angesichte der Ruhestelle, die sie für sich selbst, neben den Gebeinen ihres Gemahls, hatte bereiten lassen. Diese erhabene Kaiserin hatte
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