Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
Vom Netzwerk:
Löwen in die Länge beunruhigen könnten. In Frankreich bedient man sich der furchtbaren Waffe des Lächerlichen, sich gegenseitig zu bekämpfen, und den Boden zu erobern, auf welchem man den Sieg der Eigenliebe davon zu tragen hofft. In andern Ländern läßt man es bei einem harmlosen Geschwätze bewenden, das den Geist abnutzt, und alle Spannkraft in jeder Gattung der Verstandesübungen hemmt. 
    Eine leichte Unterhaltung, worin eigentlich von Nichts die Rede ist, und alles auf den Reiz der Worte und Wendungen ankommt, kann großes Vergnügen gewähren; und man darf es ohne Anmaßung behaupten, Frankreich allein stelle diese Gattung von Unterhaltung auf. Man kann sie als eine gefährliche, aber einladende Uebung ansehen, worin jeder kleine Gegenstand, so zu sagen, zum Federball wird, den man sich einander zuwirft, und der im genau berechneten Augenblick aus einer Hand in die andere fliegen muß.
    Der Ausländer, der hier die Franzosen nachahmen will, trägt die Unmoralität stärker auf, zeigt sich leichtsinniger als sie, damit ja sein Ernst nicht die Grazie verdränge, damit es ja seinen Aeusserungen und Einfällen nicht an dem Pariser Salz und Accent fehle.
    Die Oestreicher verbinden im Allgemeinen zu viel Steifes mit zu viel Aufrichtigkeit, um sich fremdes Wesen anpassen zu wollen. Nur sind sie auch nicht deutsch genug, und in der deutschen Literatur zu wenig bewandert. Man hält es in Wien für Sache des guten Geschmacks, französisch zu sprechen; da doch der Ruhm, und sogar das Gefällige jedes Landes im Nationalgeist und Nationalcharacter besteht.
    Die Franzosen haben sich in Europa, und vor allem in Deutschland, durch ihre Kunst, Lächerlichkeiten aufzufassen und auffallend zu machen, furchtbar gemacht. In den Worten Eleganz und Grazie lag eine geheime magische Kraft, die für die Eigenliebe ein unwiderstehlicher Sporn war. Es war nicht anders, als wären die Gefühle, die Handlungen, als wäre das ganze Leben dieser überfeinen Gesetzgebung des Weltgebrauchs unterworfen, als sey diese Gesetzgebung ein Vertrag zwischen der Eigenliebe des Einzelnen und der Eigenliebe der bürgerlichen Gesellschaft, ein Vertrag, kraft dessen die respectiven Eitelkeiten eine republikanische Constitution unter sich errichtet haben, wo die Strafe des Ostracismus gegen alles verhängt wird, was scharf gezeichnet und stark ausgesprochen ist. Diese, dem Schein nach leichte, im Grunde aber despotische Formen und Verabredungen, entscheiden über das ganze Wesen des Menschen; sie haben allmählig und stufenweise alles untergraben, die Liebe, den Enthusiasmus, die Religion; alles, außer den Egoismus, den der Stachel der Ironie nicht erreichen kann, weil er sich zwar dem Tadel, nie aber dem Spotte bloß giebt.
    Der deutsche Geist verträgt sich weit weniger, als jeder andere, mit jener berechneten Kleingeistigkeit; er ist kaum auf der Oberfläche sichtbar, er muß tief eindringen, um zu begreifen; er hascht nichts im Fluge. Vergebens würden die Deutschen, (und o wie schade!) es versuchen wollen, ihren natürlichen Eigenschaften und Gefühlen zu entsagen; an der Gründlichkeit würden sie verlieren, und in der leichten Form nicht gewinnen; sie würden aufhören, Deutsche von Werth und Verdienst zu seyn, ohne sich in liebenswürdige Franzosen umzuschaffen.
    Ich bin weit entfernt, ihnen die Grazie absprechen zu wollen; sobald sie sich nur ihrer natürlichen Stimmung hingeben, geht sie aus ihrer Einbildungskraft, aus ihrer Empfindung hervor. Ihre muntere Laune (und es fehlt ihnen, besonders den Oestreichern, keinesweges daran) hat aber mit der französischen Lustigkeit nichts gemein. Die Tyroler Possen, woran in Wien die Großen wie das Volk, so großen Geschmack finden, haben weit mehr Aehnlichkeit mit dem italienischen, als mit dem französischen komischen Spott. Sie bestehen in lächerlichen Auftritten, in stark aufgetragenen Caricaturen, die die menschliche Natur zwar mit Wahrheit, aber die Gesellschaft nicht mit Feinheit darstellen. Gleichwohl ziehe ich diese Lustigkeit, mit ihrem groben Anstrich, der Nachahmung einer fremden Grazie vor; man kann diese Grazie allenfalls entbehren, aber in diesem Fach ist die Vollkommenheit allein – etwas.

    » Das Ueberwiegende der Franzosen äußeren Art und Manier, hat vielleicht das Ausland auf den Wahn vorbereitet, sie für unüberwindlich zu halten. Es giebt nur ein Mittel, diesem Uebergewicht entgegen zu arbeiten; und dieses Mittel besteht in einer scharf gezeichneten, festen Nationalweise

Weitere Kostenlose Bücher