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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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vielleicht anziehend, einige besondere Beobachtungen zu diesen allgemeinen Bemerkungen hinzuzufügen.
    In den Ländern, wo man glaubt, daß alle Ideen von äußeren Gegenstanden herrühren, ist nichts natürlicher, als daß man einen unverhältnißmäßigen Werth auf die Schicklichkeiten legt, deren Herrschaft eine äußere ist. Ist man im Gegentheil von den unveränderlichen Gesetzen der moralischen Existenz überzeugt: so hat die Gesellschaft weit weniger Gewalt über jeden Einzelnen. Man schließt über Alles mit sich selbst ab, und in den Erzeugnissen des Denkens, wie in den Handlungen des Lebens, ist die Hauptsache, daß sie aus unserer innigen Ueberzeugung und aus unsern freiwilligen Bewegungen herrühren.
    Im Style stehen gewisse Eigenschaften mit der Wahrheit des Gefühls selbst in Verbindung; andere hängen von der grammatikalischen Verbesserung ab. Es würde Mühe kosten, den Deutschen begreiflich zu machen, daß das Erste, was bei einem Werke in Untersuchung kommt, die Schreibart ist, und daß die Ausführung den Sieg über den Gedanken davon tragen muß. Die Experimental-Philosophie schätzt ein Werk vorzüglich nach der sinnreichen und glänzenden Form, in welcher es dargeboten wird; die idealistische Philosophie hingegen, immer angezogen von dem Brennpunkt des Gemüths, bewundert nur die Schriftsteller, welche sich demselben wieder nähern.
    Gestehen muß man auch, daß die Gewohnheit, in den verborgensten Mysterien unseres Wesens zu wühlen, eine besondere Vorliebe für das Tiefere, und bisweilen auch für das Dunkelere, in dem Gedanken einflößt. Deshalb mischen die Deutschen allzu oft die Metaphysik in die Poesie.
    Die neue Philosophie flößt das Bedürfniß ein, sich zu Gedanken und Gefühlen zu erheben, welche keine Gränzen haben. Dieser Antrieb kann dem Genie günstig seyn; aber er ist auch nur ihm günstig, und öfters giebt er dem Genielosen höchst lächerliche Ansprüche. In Frankreich findet die Mittelmäßigkeit alles zu stark, zu exaltirt; in Deutschland erscheint nichts als auf der Höhe der neuen Lehre befindlich. In Frankreich spottet die Mittelmäßigkeit über den Enthusiasmus; in Deutschland verschmäht sie eine gewisse Art von Vernunft. Ein Schriftsteller kann sich nicht genug anstrengen, um deutschen Lesern die Ueberzeugung zuzuführen, daß er nicht oberflächlich sey, und daß er sich vor allen Dingen mit dem Unsterblichen und Ewigen beschäftige. Aber da die Fähigkeiten des Geistes nicht immer so ungemessenen Forderungen entsprechen: so geschieht es nicht selten, daß gigantische Anstrengungen nur zu gemeinen Resultaten führen. Nichts desto weniger ist diese allgemeine Anlage dem Ausflug des Geistes günstig, und es ist in literarischen Dingen leichter, Gränzen zu setzen, als Nacheiferung zu wecken.
    Der Geschmack, welchen die Deutschen für die naive Gattung haben — ein Geschmack, von welchem bereits die Rede gewesen ist — scheint mit ihrer Neigung für die Metaphysik in Widerspruch zu stehen, da diese aus dem Bedürfnis sich selbst zu kennen und zu zergliedern, hervorgeht. Indeß muß man auch diesen Geschmack für das Naive auf den Einfluß eines Systemes beziehen; denn Philosophie steckt hinter Allem, was deutsch ist, selbst hinter der Einbildungskraft. Einer von den ersten Charakteren des Naiven ist, das, was man fühlt oder denkt, auszudrücken, ohne an ein Resultat zu denken, oder auf ein Ziel loszusteuern. Und gerade hierin trift es zusammen mit der Theorie der Deutschen über die Literatur.
    Indem Kant das Schöne von dem Nützlichen trennt, beweiset er ganz klar, daß es nicht in der Natur der schönen Künste liegt, Vorschriften zu geben. Ohne Zweifel muß alles, was schön ist, großmüthige Gefühle wecken, und diese Gefühle müssen zur Tugend antreiben: aber sobald man es darauf anlegt, eine moralische Vorschrift ins Licht zusetzen: so ist der freie Eindruck, welchen die Meisterstücke der Kunst machen, nothwendig zerstört; denn der Zweck, worin er auch bestehen mag, kann nicht gedacht werden, ohne die Einbildungskraft zu beschränken und zu zwingen. Man behauptet, Ludwig der Vierzehnte habe zu einem Geistlichen, der seine Rede unmittelbar an ihn richtete, gesagt: „Ich will mir meinen Theil schon daraus nehmen; aber ich will nicht, daß man ihn mir aufdringe." Diese Worte könnte man auf die schönen Künste im Allgemeinen anwenden; sie sollen das Gemüth erheben, aber nicht zu Hofmeistern an demselben werden.
    Die Natur entfaltet ihre Pracht bisweilen

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