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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Umständen? Diese haben Frau und Kinder, wenigstens Neffen, um derentwillen sie ihr Glück machen müssen; jene fühlen das Bedürfniß der Thätigkeit, der Beschäftigung, und haben Gott weiß wie viel Tugenden, welche alle zu der Nothwendigkeit führen, ein Amt zu bekleiden, mit welchem Einkünfte und Macht verbunden sind. Ist man denn der Ausflüchte nicht überdrüssig, zu welchen die Revolution unablässig das Beispiel gegeben hat? Man begegnete immer nur Leuten, welche sich darüber beklagten, daß man sie gezwungen hätte, ihre, ihnen über alles werthe Ruhe zu verlassen, und ein häusliches Leben, in welches sie zurückzutreten wünschten, aufzugeben; und hinterher erfuhr man, daß eben diese Leute Tag und Nacht beschäftigt gewesen waren, zu bitten, daß man sie doch zwingen möchte, sich der öffentlichen Sache zu widmen, die ohne sie sehr wohl bestehen konnte [Diese Stelle machte bei der Censur den meisten Lärm. Hätte man nicht meinen sollen, diese Bemerkungen könnten verhintern, Aemter zu erhalten und vorzüglich, um Aemter zu bitten.] . Die Gesetzgeber des Alterthums machten es den Bürgern zur Pflicht, sich in die politischen Angelegenheiten zu mischen. Die christliche Religion muß eine Bestimmung ganz anderer Art einflößen, nemlich die, der Obrigkeit zu gehorchen, aber sich von allen Staatsgeschäften fern zu halten, wenn sie das Gewissen beläftigen. Der Unterschied zwischen den alten und den neueren Regierungen erklärt diese Entgegengesetztheit in der Art und Weise, die Beziehungen der Menschen auf ihr Vaterland zu betrachten.
    Die politische Wissenschaft der Alten war mit der Religion und der Moral auf das innigste verwebt. Der gesellschaftliche Zustand war ein Körper voll Leben. Jedes Individuum betrachtete sich als ein Mitglied desselben. Die Kleinheit der Staaten, die große Anzahl der Sklaven, welche die der Bürger noch mehr verringerte, alles legte die Pflicht auf, für ein Vaterland zu handeln, das eines jeden seiner Söhne bedurfte. Die Magisträte, die Krieger, die Künstler, die Philosophen und selbst die Götter vermischten sich auf dem öffentlichen Platze, und dieselben Menschen gewannen abwechselnd eine Schlacht, stellten Meisterstücke aus, gaben ihrem Vaterlande Gesetze, oder suchten die des Universums zu entdecken.
    Nimmt man die sehr geringe Zahl der freien Regierungen aus: so hat die Größe der Staaten bei den Modernen und die Concentration der Gewalt in den Personen der Monarchen, die Politik, so zu sagen, ganz negativ gemacht. Es kommt darauf an, sich einander nicht zu schaden, und die Regierung ist mit jener hohen Polizei beauftragt, welche jedem erlaubt, die Vortheile des Friedens und der gesellschaftlichen Ordnung zu genießen, indem er diese Sicherheit durch angemessene Opfer erkauft. Der göttliche Gesetzgeber befahl also eine, der Lage der Welt zur Zeit der römischen Herrschaft sehr angemessene Moral, als er auf der Bezahlung des Tributs und auf der Unterwerfung unter die Regierung in allem, was die Pflicht nicht verbietet, ein Gesetz machte; aber er ermahnte auch mit der größten Stärke zu einem Privat-Leben.
    Menschen, welche ihre individuellen Neigungen gern in ein System bringen möchten, vermischen die Moral des Alterthums mit der christlichen. Man muß, sagen sie, wie die Alten, seinem Vaterlande dienen, nicht ein unnützer Bürger im Staate seyn; man muß, sagen sie wiederum, wie die Christen, sich der von Gott eingesetzten Obrigkeit unterwerfen. Auf diese Weise bringt das System der Schwerkraft in seiner Vermischung mit dem der Thatkraft eine doppelte Immoralität hervor, während beide, gehörig von einander gesondert, Anspruch auf Achtung hätten. Die Thatkraft der griechischen und römischen Bürger, wie sie in einer Republik geübt werden konnte, war eine edle Tugend. Auch die christliche Schwerkraft ist eine und zwar von großer Bedeutung; denn das Christenthum, das man der Schwäche anklagt, ist seinem Geiste nach unüberwindlich, d. h. in der Energie der Weigerung. Aber der listige Egoismus ehrgeiziger Menschen lehrt sie die Kunst, entgegenstehende Raisonnements zu vereinigen, um sich, wie Heiden, in Alles zu mischen, und sich, wie Christen, Allem zu unterwerfen.
    „Das Universum, Freund, denkt nicht an dich," könnte man jetzt der ganzen Welt ohne Ausnahme sagen, die Phänomene ausgenommen. Es würde eine recht lächerliche Eitelkeit seyn, die politische Thätigkeit in allen Fällen durch den Vorwand zu beschönigen, als könne man seinem

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