Ueber Deutschland
Umstände bewirken, daß wir empfindlich leiden, aber keiner wird das Band zerreißen, das uns an den Himmel knüpft. Gegen das Unmögliche ankämpfen, erzeugt in uns die bittersten Gefühle; und der Zorn des Satans ist nichts weiter, als Freiheit im Kampf mit Nothwendigkeit, ohne Kraft diese zu zähmen oder zu unterwerfen.
Die vorherrschende Meinung mystischer Christen ist: die einzige Huldigung, welche Gott gefallen könne, sey die des Willens, den er dem Menschen geschenkt hat. In Wahrheit, welches noch uneigennützigere Opfer könnten wir der Gottheit darbringen? Cultus, Weihrauch, Lobgesänge haben beinahe immer die Glückseligkeiten der Erde zum Zweck, und so umgiebt die Schmeichelei dieser Welt die Monarchen: Aber sich in den Willen Gottes ergeben, nichts wollen, als was er will, dies ist die reinste religiöse Handlung, deren die menschliche Seele fähig ist. Um von dem Menschen diese Ergebung zu erhalten, werden drei Aufforderungen an ihn gerichtet: die Jugend, die männlichen Jahre und das Alter. Wohl denen, die sich der ersten unterwerfen!
In allen Dingen ist es der Stolz, der Gift in die Wunde bringt; die rebellische Seele klagt den Himmel an. Der religiöse Mensch hingegen läßt den Schmerz nach der Absicht Dessen wirken, der ihn verhängt hat. Er bedient sich aller Mittel, die in seiner Gewalt stehen, ihn zu vermeiden, oder zu erleichtern; aber wenn das Geschick unwiderruflich ist, so sind die geheiligten Charaktere des höchsten Willens darin ausgedrückt.
Giebt es ein zufälliges Unglück, das mit dem Alter und dem Tode verglichen werden könnte? Und doch ergeben sich beinahe alle Menschen darein, weil es dagegen keine Waffen giebt. Woher kommt es also, daß Jeder sich gegen besonderes Unglück empört, während sich Alle unter das allgemeine Unglück schmiegen? Daher, daß man das Schicksal wie eine Regierung betrachtet, der man Allen Leides zuzufügen gestattet, wofern sie nur Keinem Privilegien bewilligt. Das Unglück, das wir mit unserm Nächsten gemein haben, ist eben so hart und verursacht uns eben so viel Leiden, als unser besonderes Unglück; und doch treibt es uns nie zu derselben Empörung. Warum sagen sich die Menschen nicht, man müsse das, was uns persönlich angeht, eben so ertragen, wie das allgemeine Loos der Menschheit? Darum nicht, weil man in seinem individuellen Loose eine Ungerechtigkeit wahrzunehmen glaubt. Seltsamer Stolz des Menschen, die Gottheit mit dem Werkzeuge richten zu wollen, das er von ihr erhalten hat! Was weiß er von dem, was ein Anderer empfindet? Was weiß er von sich selbst? Was kennt er anders, als sein inneres Gefühl? Und dies Gefühl, je inniger es ist, desto mehr schließt es das Geheimniß unserer Glückseligkeit in sich; denn, fühlen wir nicht in unseren eigenen Innern das Glück und das Unglück? Die religiöse Liebe oder die Selbstliebe dringen allein bis zur Quelle unserer verborgensten Gedanken. Unter der Benennung religiöser Liebe sind alle uneigennützigen Affectionen, unter der Benennung von Selbstliebe alle egoistischen Neigungen begriffen; und auf welche Weise das Schicksal uns unterstützen oder bekriegen möge, immer hängt von dem Uebergewicht der einen oder der andern Liebe der ruhige Genuß oder das unruhige Uebelbefinden ab.
Es fehlt uns, dünkt mich, an Achtung gegen die Vorsehung, wenn wir uns jenen Fantomen, die man Ereignisse nennt, preisgegeben wähnen. Ihre Wirklichkeit besteht in dem, was sie im Gemüthe wirken, und es ist eine vollkommene Gleichheit zwischen allen Lagen und allen Geschicken, freilich nicht dem äußeren Scheine nach, wohl aber, wenn sie nach ihrem Einflusse auf die religiöse Vervollkommnung beurtheilt werden. Wenn Jeder von uns den Einschlag seines eigenen Lebens genau untersuchen will, so wird er zwei ganz verschiedene Gewebe erblicken, von welchem das eine gänzlich den natürlichen Ursachen und Wirkungen unterworfen ist, während die geheimnißvolle Tendenz des andern sich nur mit der Zeit begreift. Es verhält sich damit wie mit den Hautelisse-Tapeten, deren Gemählde man so lange verkehrt arbeitet, bis sie, aufgestellt, ihre Wirkung nach beurtheilt werden können. Selbst in diesem Leben endigt man damit, daß man einsieht, warum man gelitten, warum man nicht alles erhalten hat, was man wünschte. Die Veredelung unseres eigenen Herzens enthüllt uns die wohlthätige Absicht Dessen, der uns dem Schmerze unterworfen hat; denn die Glückseligkeiten dieser Erde würden sogar etwas Fruchtbares haben, wenn sie
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