Ueber Deutschland
Benennungen von Katholiken und Protestanten sie trennen? Warum sollten sie den Gräbern ihrer Ahnen untreu werden, um diese Benennungen aufzugeben, oder wieder anzunehmen? Hat denn Klopstock nicht sein ganzes Leben angewendet, um aus einem schönen Gedicht den Tempel des Evangeliums zu erbauen? Ist Herder nicht, wie Stolberg, ein Verehrer der Bibel? Dringt er nicht in alle Schönheiten der Ursprache und in alle Kennzeichen himmlischen Ursprungs ein, die sie in sich schließt? Erkennt Jacobi nicht die Gottheit in allen großen Gedanken des Menschen? Würde irgend einer von diesen Männern die Religion als einen Zügel für das Volk, als ein Mittel öffentlicher Sicherheit, als eine Gewährleistung mehr bei weltlichen Verträgen empfehlen? Wissen sie nicht alle, daß alle vorzüglichen Geister der Frömmigkeit noch weit mehr bedürfen, als der große Haufen? Denn die Arbeit, von der gesellschaftlichen Autorität unterstützt, vermag die arbeitsame Classe in allen Augenblicken des Lebens zu beschäftigen und zu leiten, während die nicht beschäftigten Menschen immer im Kampf liegen mit Leidenschasften und Sophismen, welche das Daseyn beunruhigen und alles zweifelhaft machen.
Man hat behauptet, es sey eine Art von Leichtsinn in den deutschen Schriftstellern, den günstigen Einfluß der christlichen Religion auf die Künste, die Einbildungskraft und die Poesie darzustellen; und derselbe Vorwurf ist dem schönen Werke des Herrn von Chateaubriant über den Genius des Christenthums gemacht worden. Die eigentlichen Leichtsinnigen sind Die, welche kleine Ansichten für große nehmen, und sich überreden, man könne mit der menschlichen Natur ausschließend zu Werke gehen und die meisten Verlangen und Bedürfnisse der Seele unterdrücken. In der Analogie der christlichen Religion mit allen unseren sittlichen Fähigkeiten liegt einer von den stärksten Beweisen der Göttlichkeit dieser Religion; nur glaube ich nicht, daß man die Poesie des Christenthums aus demselben Gesichtspunkte betrachten müsse, wie die des Heidenthums. Da in dem heidnischen Cultus Alles äußerlich war, so war hier der Pomp der Bilder verschwenderisch angewendet; und da das Heiligthum der christlichen Religion im Innern des Herzens ist, so muß die Poesie, welche sie einhaucht, aus der Rührung hervorgehen. Nicht den Glanz des christlichen Himmels darf man dem Olymp entgegenstellen, wohl aber den Schmerz und die Unschuld, das Alter und den Tod, welche unter dem Schutze religiöser Hoffnungen, deren Fittiche sich über das Elend des Lebens ausbreiten, den Charakter der Erhebung und der Ruhe annehmen. Es ist also, wie es mir scheint, nicht an dem, daß die protestantische Religion von Poesie entblößt sey, weil die Uebungen dieses Cultus minder glänzend sind, als die der katholischen Religion. Ceremonien, die, je nach dem Reichthum der Städte und der Pracht der Gebäude, besser oder schlechter durchgeführt werden, können nicht die Hauptursacbe des Eindrucks seyn, den der Gottesdienst auf uns macht; es sind vielmehr ihre Beziehungen auf unsere inneren Gefühle, die uns anregen: Beziehungen, welche sich eben so gut mit Einfachheit als mit Pomp vertragen. Ich befand mich vor einiger Zeit in einer Landkirche, die von allem Schmuck entblößt war; kein Gemälde zierte die weißen Wände; die Kirche war seit kurzem erbaut, und kein Gedanke an eine lange Vergangenheit machte sie ehrwürdig; sogar die Musik, welche die strengsten Heiligen als einen Genuß der Seeligen in den Himmel versetzt haben — sogar die Musik ließ sich kaum vernehmen, und die Psalmen wurden von unharmonischen Stimmen gesungen, welche die irdische Arbeit und die Last der Jahre heiser und verworren gemacht hatten. Aber mitten unter dieser ländlichen Versammlung, der es an allem menschlichen Glanze fehlte, sah man einen frommen Mann, dessen Herz voll war von der Göttlichkeit seiner Sendung. [Herr Celerier, Pastor von Satigny, bei Genf.] Seine Blicke, seine Physiognomie, konnten zum Muster dienen für einige von den Gemälden, womit andere Tempel geschmückt sind; seine Töne entsprachen einem Concert von Engeln. Da stand vor uns eine menschliche Creatur, welche überzeugt war von unserer Unsterblichkeit, von der unserer verlornen Freunde, von der unserer Kinder, die uns in der Bahn der Zeit nur wenig überleben werden! Die innige Ueberzeugung einer reinen Seele erschien als eine neue Offenbarung. Der Mann stieg von der Kanzel, um den Gläubigen, die im Schutze seines Beispiels leben,
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