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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Despotismus des glücklichen Erfolges anwenden; denn da Sache und Zweck eine Kleinigkeit sind, so kann man sich über den Nichterfolg nicht durch die Reinheit der Absicht trösten; in Dingen des Geistes ist diese für nichts zu achten.
    Das Talent zu erzählen, einer von den größten Zaubern der Unterhaltung, ist in Deutschland höchst selten; die Zuhörer sind da allzu gefällig – sie langweilen sich nicht schnell genug –; und indem sich die Erzähler auf die Langmuth der Zuhörer verlassen, machen sie es sich ein wenig zu bequem. In Frankreich ist der Erzähler ein Usurpator, der sich von eifersüchtigen Nebenbuhlern umgeben sieht, und sich durch den Erfolg emporhalten will; in Deutschland ist er ein rechtmäßiger Eigenthümer, der seine anerkannten Rechte ruhig genießen kann.
    Den Deutschen gelingt die poetische Erzählung besser, als die epigrammatische. Wenn man zu der Einbildungskraft spricht, können Einzelnheiten gefallen; sie machen ja das Gemälde wahrer. Kommt es aber darauf an, einen witzigen Einfall vorzutragen, so kann man die Einleitungen nicht genug vermeiden. Die Spötterei erleichtert die Last des Lebens für einen Augenblick. Gern sieht man seines Gleichen über die Last scherzen, die uns zu Boden drückt, und aufgemuntert durch ihn, heben wir ihn auch unsererseits auf; aber wenn man in dem, was belustigen sollte, Anstrengung und Schweiß entdeckt, so wird man davon noch mehr ermüdet, als von dem Ernste selbst, der uns mindestens um seiner Resultate willen interessirt.
    Die Treuherzigkeit der Deutschen ist vielleicht ein Hinderniß mehr für die Kunst zu erzählen. Die Deutschen besitzen nehmlich weit mehr die Lustigkeit des Gemüths, als die des Geistes. Sie sind fröhlich, wie sie ehrlich sind – um eines guten Gewissens willen – und lachen über das, was sie erzählen, weit eher, als sie daran gedacht haben, Andere lachen zu machen.
    Nichts kommt dagegen dem Zauber einer Erzählung gleich, die von einem geistreichen und gebildeten Franzosen herrührt. Alles sieht er vorher, alles schont er, und doch opfert er nie auf, was Interesse erregen könnte. Seine Physiognomie, weniger ausgesprochen, als die des Italieners, verkündigt die Lustigkeit, ohne der Würde in Haltung und Manieren Abbruch zu tun; er hält inne, wenn es nöthig ist, und erschöpft nie die Belustigung; er belebt sich, und gleichwohl hält er die Zügel des Geistes, um ihn sicher und schnell zu führen. Jetzt mischen sich auch die Zuhörer in die Unterhaltung, und nun ist es an ihm, diejenigen geltend zu machen, die ihm Beifall gezollt haben. Ihm entschlüpft kein glücklicher Ausdruck, den er nicht hervorhöbe, kein treffender Scherz, den er nicht fühlte; und für den Augenblick wenigstens genießt und gefällt man sich unter einander, als ob alles Eintracht, Einheit und Sympathie in der Welt wäre.
    Die Deutschen würden nicht übel daran thun, in wesentlichen Beziehungen einige von den Vorzügen des gesellschaftlichen Geistes in Frankreich zu benutzen: sie sollten von den Franzosen lernen, sich in Kleinigkeiten minder reizbar zu zeigen, um ihre ganze Kraft für größere Gegenstände aufzusparen; sie sollten Starrsinn von Thatkraft, Rauheit von Festigkeit unterscheiden lernen; und da sie einmal so geneigt sind, ihr Leben an etwas zu setzen, so sollten sie es nicht im Einzelnen durch eine Art kleinlicher Persönlichkeit wiederfinden, die sich die wahre Selbstheit nicht erlauben würde; kurz, sie sollten in der Kunst der Unterhaltung selbst die Gewohnheit annehmen, in ihren Büchern jene Klarheit, die sie allgemeiner verständlich macht, jenes Talent der Abkürzung, das man mehr bei Völkern, die sich belustigen, als bei solchen, die sich ernsthaft beschäftigen, antrifft, und jene Achtung für gewisse Schicklichkeiten, welche nicht zur Aufopferung des Natürlichen, wohl aber zur Schonung der Einbildungskraft führt, zu verbreiten. Ihre Schreibart würden sie durch einige von den Beobachtungen, welche das Talent zu sprechen hervorruft, vervollkommnen; aber sie würden nicht wohl daran thun, wenn sie dies Talent in gleichem Maaße mit den Franzosen besitzen wollten.
    Eine große Stadt, welche zum Sammelpunkt diente, würde Deutschland nützlich seyn, um Studien-Mittel zu vereinigen, die Hülfsmittel der Kunst zu vermehren, und Nacheiferung zu erregen; aber wenn diese Hauptstadt bei den Deutschen den Geschmack an den Freuden des Umgangs in seiner ganzen Eleganz entwickelte, so würden sie ihre gewissenhafte

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