Ueber Deutschland
andern; der Eroberer mag lieber edelmüthig seyn als gerecht, weil die Gerechtigkeit uns mit andern in eine Art von Gleichheitsverhältniß versetzt.
Friedrich hatte die Gerichtshöfe in seinen Staaten dergestalt unabhängig von sich gemacht, daß unter seiner und seiner Nachfolger Regierung, nicht selten Aussprüche von ihnen ergangen sind, die, in Processen, wo es auf politisches Interesse ankam, dem Unterthan Recht, dem Fürsten Unrecht gaben. In der That, würde es beinahe in Deutschland eine Unmöglichkeit seyn, die Gerichtshöfe zu ungerechten Urtheilen zu vermögen; denn, so geneigt die Deutschen auch sind, in ihren Systemen und Theorien die Politik der Willkühr preis zu geben, so wenig vermag man, sobald es auf Rechtspflege oder Staatsverwaltung ankommt, in ihren Köpfen andern Grundsätzen als denen der strengsten Gerechtigkeit Eingang zu verschaffen. Ihr methodischer Geist allein, ohne daß es der bekannten Rechtlichkeit ihres Herzens bedarf, verlangt allenthalben die Billigkeit, weil Billigkeit und Gleichmäßigkeit den Weg zur Ordnung bahnt. Nichtsdestoweniger ist Friedrich lobenswerth; er zeigte sich rechtlich und bieder in der inneren Landesregierung; als Landesvater gebührt ihm der erste Zoll der bewundernden Nachwelt.
Friedrich war nicht gefühlvoll, aber gut; und am besten ist es, wenn Fürsten mit Eigenschaften begabt sind, die man unter die allgemeineren rechnet. Gleichwohl war Friedrichs Güte nichts weniger als beruhigend; man fühlte die Löwenklaue der Gewalt mitten unter der Anmuth und Gefallsucht des liebenswürdigsten Geistes. Männern von unabhängigem Gemüth ward es schwer, sich der Freiheit zu unterwerfen, die dieser Gebieter zu geben glaubte, der Vertraulichkeit, die er einzuräumen sich den Schein gab; sie bewunderten ihn, fühlten aber im Herzen, weit von ihm lasse es sich freier und leichter athmen.
Friedrichs größtes Unglück war sein Mangel an Achtung für Religion und gute Sitten. Er war ein ausgemachter Cyniker. Zwar hatte sein Bestrehen nach Ruhm, seiner Seele Größe und Erhabenheit mitgetheilt; doch verhinderte seine mehr als freie Art sich über die heiligsten Gegenstände auszulassen, daß man selbst seinen Tugenden kein Vertrauen schenken konnte; man genoß ihres Anschauens, man gab ihnen Beifall, aber man hielt sie für kalte Berechnung. Alles, in dem Betragen Friedrichs, schien eine Folge seiner Politik seyn zu müssen; und so geschah es, daß das Gute, das er that, zwar den Wohlstand seines Landes, aber nicht die Moralität seines Volks verbesserte. Er trug den Unglauben zur Schau, er trieb mit der weiblichen Tugend seinen Spott; und nichts verträgt sich weniger mit dem deutschen Character, als diese beiden Züge in der Denkart. Dadurch, daß Friedrich seine Unterthanen von dem, was er Vorurtheile nannte, frei machte, erstickte er in ihnen den Patriotismus; denn um Länder liebzugewinnen, die von Natur unfreundlich und unfruchtbar sind, muß es in diesen Ländern strenge Meinungen und Grundsätze geben. In Sandwüsten, wo der Boden nur Fichten und Haidekraut hervorbringt, besteht die Kraft des Menschen in seiner Seele; und wer ihm das raubt, was das Leben seiner Seele ausmacht, wer ihm die religiösen Gefühle raubt, was läßt er in ihm zurück, als Eckel und Widerwillen gegen sein trauriges Vaterland?
Wenn Friedrich den Krieg liebte, so läßt sich diese Neigung durch große politische Motive entschuldigen. Sein Königreich konnte, so wie er es aus den Händen seines Vaters erhielt, nicht bestehen; schon um es zu erhalten, mußte er es vergrößern. Als er den Thron bestieg, zählte er drittehalb Millionen Unterthanen; seinem Nachfolger hinterließ er sechs Millionen. Er fühlte, wie nothwendig sein Heer ihm war; und eben deswegen versagte er es sich, in der Nation einen Gemeingeist zu unterhalten, der durch Kraft und Einheit mächtig nach aussen hin gewirkt haben würde. Friedrichs Regierung gründete sich auf die militärische Macht und auf die bürgerliche Gerechtigkeit; durch seine Weisheit wußte er beide mit einander zu vereinbaren; gleichwohl war es schwer, zwei so verschiedenartige Kräfte unter ein Gesetz zu bringen. Friedrich wollte seine Soldaten zu militärischen Maschinen machen; seine Unterthanen zu aufgeklärten, des Patriotismus fähigen Bürgern. Er errichtete in seinen Städten keine Behörden zweiter Classe, keine Stadtbehörden, wie man sie im übrigen Deutschland findet, aus Furcht, sie möchten der unmittelbaren Thätigkeit des
Weitere Kostenlose Bücher