Ueber Deutschland
Militärdienstes in den Weg treten; und gleichwohl wünschte er in seinen Staaten den Freiheitssinn so weit ausgedehnt, daß man den Gehorsam für freiwillig ansehen möchte. Er wollte den Soldatenstand zum ersten von allen machen, weil er dessen am meisten bedurfte; aber es war zugleich sein Vorsatz, daß der Civilstand sich neben dem der Gewalt unabhängig erhalten möchte. Mit einem Worte, Friedrich wollte allenthalben Stützpuncte, und nirgends Hindernisse finden.
Die herrliche Zusammenmischung aller Classen der Gesellschaft kann nur eine Folge des Gesetzes seyn, wenn dieses gleichmäßig über alle herrscht. „Ein einzelner Mensch kann naturwidrige Elemente neben einander in Bewegung setzen und erhalten; aber nach seinem Tode löset sich die gewaltsame Verbindung wieder auf.« [Von der Censur gestrichen.] Friedrichs Uebergewicht, durch die Weisheit seiner Nachfolget empor gehalten, hat noch eine Zeit lang gewirkt; gleichwohl waren in Preussen die beiden Nationen immer fühlbar, die sich nicht gut in eine einzige zusammenfügten, nehmlich das Heer und die Bürger. Neben auf das bestimmteste ausgesprochenen liberalen Grundsätzen bestanden die Grundsätze des Adels noch immer fort; so daß überhaupt Preussen mit einem Januskopf verglichen werden konnte, mit einem militärischen und einem philosophischen Gesichte.
Der größte Vorwurf, den man Friedrich dem Großen machen kann, ist seine Bereitwilligkeit zur Theilung von Polen. Schlesien hatte er mit den Waffen in der Hand erobert; Polen ist eine Eroberung im Sinne Machiavell's, »und es stand nie zu erwarten, daß auf diese Weise gestohlene Unterthanen dem Taschenspieler, der sich ihren Souverain nannte, treu bleiben würden.« [Von der Censur gestrichen.] Ueberdies lassen sich Deutsche und Slaven nicht durch unauflösliche Bande vereinigen, und eine Nation, welche Fremde, die vorher ihre Feinde waren, als Unterthanen in ihren Schooß aufnimmt, ist beinahe eben so übel daran, als wenn sie sie zu Herren erhielte; einem solchen politischen Körper fehlt es an Zusammenhang, an Einheit, an demjenigen Ganzen, wodurch der Staat zur Person, und der Patriotismus zum Hauptbestandtheil der Staaten wird.
Diese Bemerkungen über Preussen gehen von den Mitteln aus, die dieses Reich hatte, sich zu erhalten und sich zu vertheidigen; denn in der inneren Staatsverwaltung und Regierung wurden die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Bürgers in nichts gefährdet. Preussen gehört zu den Ländern von Europa, wo man die Aufklärung am meisten in Ehren hält, wo die Freiheit, wenn nicht im Recht, doch in der That, am sorgsamsten geachtet wird. Ich bin in den gesammten preussischen Staaten auf keinen einzigen Menschen gestoßen, der über willkührliche Handlungen der Regierung Klage geführt hätte; gleichwohl hätte er ohne Gefahr Klagen dieser Art hören lassen dürfen: wenn aber im gesellschaftlichen Stande das Glück selbst, so zu sagen, nichts weiter als ein günstiger Zufall ist; wenn es nicht auf dauerhaften Einrichtungen ruht, die dem menschlichen Geschlechte seine Kraft und seine Würde verbürgen, so fehlt es dem Patriotismus zu bald an Ausdauer, und man überläßt zu leicht dem Ohngefähr Vorzüge, die man dem Ohngefähr schuldig zu seyn glaubt. Friedrich II., eine der schönsten Gaben dieses Ohngefährs, welches einigemal zum Schutzgeiste von Preussen geworden war, hatte die aufrichtige Liebe seines Landes zu gewinnen gewußt; nach seinem Tode verehrte man ihn nicht weniger, als in seinem Leben. Gleichwohl hat Preussens Schicksal nur zu auffallend bewiesen, wohin der Einfluß eines großen Mannes führt, sobald er während seiner Regierung nicht edel und großmüthig dahin trachtet, sich nach seinem Tode entbehrlich zu machen. Die ganze Nation verließ sich auf ihren König, gründete ihre ganze Existenz auf ihn, glaubte mit ihm aufhören zu müssen.
Friedrich II. hätte es gern dahin gebracht, die französische Literatur ausschließlich in seine Staaten einzuführen. Der deutschen legte er ganz und gar keinen Werth bei. Freilich war sie zu seiner Zeit nicht so merkwürdig als jetzt; gleichwohl ist es für den deutschen Fürsten Pflicht, alles aufzumuntern, was deutsch ist. Friedrich hatte zur Absicht, Berlin Paris ähnlich zu machen; er schmeichelte sich, unter den französischen Religionsflüchtlingen einige Schriftsteller zu finden, die im Stande wären, zu einer französischen Literatur den Grund zu legen. Eine solche Hoffnung mußte nothwendig getäuscht
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