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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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leicht das Aufgeblasene für Grazie, und die Ziererei für Artigkeit hält.
    In demselben Herzogthum, in der Nähe dieses ersten und vorzüglichsten literärischen Vereins, liegt Jena, einer der wichtigsten Gelehrtenvereine Deutschlands. So fanden sich, im engsten Raume, bewundernswürdige Geistesstrahlen aller Art, wie in einem Brennpuncte, zusammen.
    In Weimar, wo die Einbildungskraft durch den Verkehr mit Dichtern beständig unterhalten wurde, fühlte sie das Bedürfniß der äußeren Zerstreuungen weniger; diese Zerstreuungen helfen zwar die Bürde des Lebens tragen, helfen aber auch zugleich oft die Lebenskräfte abnutzen. Man führte auf dem Landsitze, den man die Stadt Weimar nannte, ein regelmäßiges, geschäftvolles, ernsthaftes Leben; wohl konnte es bisweilen ermüden, aber [117] nie setzte es den Geist durch kleinliches gemeines Interesse herab: und wenn es hier und da am Reize eines Vergnügens mangelte, so fühlte man doch nicht, auf der andern Seite, seine Geisteskräfte abnehmen.
    Der einzige Prachtgeschmack des Fürsten bestand in einem entzückenden Garten. Man segnet ihn für diesen Volksgenuß, den er mit dem letzten Einwohner der Stadt theilte. Das Schauspiel, von welchem ich im zweiten Theile dieses Werks reden werde, wird von dem ersten Dichter Deutschlands, von Göthe geleitet. Es findet eine so allgemeine Theilnahme, daß es die gesellschaftlichen Vereinigungen, in denen so manche geheime Langeweile zur Sprache kommt, entbehrlich macht. Man nannte Weimar längst Deutschlands Athen, und in der That war es die einzige Stadt, in welcher das Interesse für die schönen Künste einheimisch, national und ein brüderliches Band für alle Stände ist. Ein liberaler Hof suchte, aus Bedürfniß der Gewohnheit, die Gesellschaft der Männer von Geist auf, und die Literatur gewann sichtbarlich unter dem Einfluß des guten Geschmacks, der an diesem Hofe vorherrschend war. Man konnte hier im Kleinen sich einen Begriff von der guten Wirkung machen, die eine solche wechselseitige Berührung, wenn sie allgemein würde, in Deutschland hervorbringen müßte.
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Sechszehntes Capitel. Preussen.
    Wer Preussen kennen lernen will, muß den Character Friedrichs II. studieren. Ein Mann ist der Schöpfer dieses Reichs, für welches die Natur wenig gethan hatte, und welches sich zur Macht erhob, weil es von einem Krieger beherrscht ward. Es waren in Friedrich II. zwei ganz verschiedene Menschen, ein Deutscher von Natur, ein Franzose von Erziehung. Alles, was der Deutsche in dem deutschen Königreich gethan, hat dauerhafte Spuren hinterlassen; alles, was der Franzose darin versucht hat, ist nicht fruchtbar und gesegnet aufgegangen.
    Friedrich hatte sich durch die französische Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts gebildet. Diese Philosophie ist den Völkern verderblich, sobald sie in ihnen die Quelle des Enthusiasmus austrocknet. Giebt es aber einmal in einem Lande ein Wesen, das man einen unumschränkten Monarchen nennt, so steht zu wünschen, daß liberale Grundsätze das Feuer des Despotismus in ihm niederschlagen. Friedrich führte die Denkfreiheit im nördlichen Deutschland ein: die Reformation hatte zwar den Geist der Prüfung, aber nicht den der Toleranz verbreitet; denn durch einen seltsamen Widerspruch, wurde nur dasjenige zu prüfen erlaubt, wovon das Glaubensresultat streng vorausbefohlen war. Friedrich brachte die Rede- und Preßfreiheit zu Ehren, theils durch einen pikanten geistreichen Witz, der so viel über die Menschen vermag, wenn er von einem Könige kommt, theils durch sein noch mehr vermögendes Beispiel als Monarch; denn nie bestrafte er die, welche Böses von ihm sagten oder drucken ließen. Und so bewahrheitete er fast in allen seinen Handlungen die Philosophie, zu deren Grundsätzen er sich bekannt hatte.
    In der Staatsverwaltung führte er eine Ordnung und eine Wirthschaftlichkeit ein, welche, bei allen Naturmängeln des Landes, den preussischen Staat zu einem seltenen Grade innerer Kraft erhob. Kein König zeigte sich so schlicht und einfach im Privatleben, und selbst in seinem Hofhalte, als er. Es schien, als habe er die Sorge und den Auftrag über sich genommen, das Vermögen seiner Unterthanen so viel als möglich zu sparen. Vorwaltend war in ihm ein inneres Gefühl des Rechts; die Verfolgung seiner Jugend, die Härte seines Vaters hatten es tief in seine Seele gegraben. Ein solches Gefühl findet sich vielleicht seltener in der Brust des Eroberers, als in jeder

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