Ueber Deutschland
entwickelten sehenswürdige Fertigkeiten und Kräfte, indem sie ungeheure Lasten hoben, oder mit einander rangen. Ehedem machten körperliche Kräfte die Nationen kriegerischer; heut zu Tage, wo Tactik und Geschütz den Sieg entscheiden, sieht man in Leibes-Uebungen nur ländliche Spiele. Das Land wird von kräftigen Männern besser gebaut; aber den Krieg führt man nur mit Hülfe der Mannszucht und der Ueberzahl, und selbst die Bewegungen der Seele haben weniger Herrschaft über das menschliche Schicksal, seitdem die Einzelnen in den Massen verschwunden sind, seitdem das Menschengeschlecht wie die leblose Natur, von den Gesetzen der Mechanik geleitet zu werden scheint.
Nachdem die Spiele ihre Endschaft erreicht, und der gute Amtmann des Orts den Siegern die Preise ausgetheilt hatte, wurde unter Gezelten ein ländliches Mahl eingenommen, und man sang Lieder dem ruhigen Glücke der Schweizer zu Ehren. Während des Mahls wurden hölzerne Becher mit Wein herumgegeben, worauf Wilhelm Tell und die drei Stifter des Schweizerbundes geschnitzt waren. Es wurden mit frommer Begeisterung die Gesundheiten auf die Ruhe, die Ordnung, die Unabhängigkeit ausgebracht; der Patriotismus des Glücks drückte sich mit einer Herzlichkeit aus, die alle Gemüther durchdrang.
Es schmückt die Wiese sich, wie sonst, mit Blumenkränzen;
Es grünen Berg und Hain;
Wie könnte unser Herz, bei der Natur im Lenzen,
Kalt, leer und müßig seyn?
[Worte des Schluß-Chors, aus einem Liede voller Talent und Grazie, welches zu diesem Feste gedichtet worden war. Die Verfasserin ist Mad. Harmes, unter dem Namen von Berlepsch allgemein und rühmlich in Deutschland bekannt.]
Nein wahrlich, das Herz war nicht leer, es entfaltete sich mit Zuversicht in dieser schönen Gegend, in Gegenwart der ehrwürdigen Männer, voll reiner Empfindungen und Gefühle. Eine arme Landschaft, von beschränktem Raume, ohne Luxus, ohne Glanz, ohne Macht, wird von ihren Bewohnern geliebt, wie ein Freund, der seine Tugenden im Schatten verbirgt, und sie alle dem Glücke derer weiht, die ihn lieben. Seit fünf Jahrhunderten dauert der Wohlstand der Schweiz; seit fünf Jahrhunderten zählt man mehr weise Generationen, als große Männer darin. Es giebt für die Ausnahme keinen Raum, wenn das Ganze so glücklich ist. Sollte man nicht glauben, die Ahnherren der Nation walten und regieren noch in ihrer Mitte? so sehr werden sie noch immer von ihr geachtet, nachgeahmt und immer wieder erneuert.
Die Sitteneinfalt, die Anhänglichkeit an die alten Gebräuche, die Weisheit und Einförmigkeit in der Lebensart, bringen uns der Vergangenheit näher, und rücken die Zukunft an uns heran. Eine immer gleichlautende Geschichte ist wie ein Augenblick, der aus mehreren Jahrhunderten besteht.
Das Leben fließt in den Thälern der Schweiz dahin, wie die Flüsse, die sie durchströmen; es sind immer neue Wellen, aber ihr Lauf ist immer derselbe; möge er nie unterbrocken werden! Möge dasselbe Fest oft am Fuße derselben Berge wiederholt werden! Der Fremdling staunt sie an, diese Berge, wie ein Wunder der Natur. Der Schweizer liebt sie, wie eine Zuflucht, wo die Obrigkeiten und die Väter für das Wohl der Bürger und Kinder Sorge tragen.
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II. Abtheilung. Literatur und Kunst.
Vorrede.
Der Verleger findet in Hinsicht der Uebersetzung eines durch den Zauber seiner Darstellung eigentlich unübersetzbaren Buches folgendes als Vorrede nöthig:
1) daß er sie Männern übertragen, die in dem vollen Gefühl der Schwierigkeiten des Unternehmens, gegen diese Schwierigkeiten mit der größten Anstrengung gerungen und sie zu überwinden gestrebt haben, und von denen Herr Professor Friedrich Buchholz, der den Theil des Werks bearbeitet, der die historische und kritische Literatur, die Philosophie und Moral, die Religion und den Enthusiasmus behandelt, ihm die Erlaubniß ertheilt, ihn öffentlich zu nennen;
2) daß man, wenn Analysen deutscher Gedichte oder Citate aus solchen im Originale vorgekommen, die nicht ganz mit den angeführten bekannten deutschen Werken übereinstimmen, lieber treu hat übersetzen, als berichtigen wollen, weil es den Deutschen nicht darauf ankommen kann, ihre Literatur und ihre Meisterwerke aus diesem Werke kennen zu lernen; sondern vielmehr es ihnen interessant seyn muß. zu sehen, wie die edle Verfasserin sich oft zu winden genöthigt war, um das Deutsche ihrem französischen Publikum genießbar zu machen;
3) daß der verfehlte Ausdruck von
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