Ueber Deutschland
werden, die Tonkunst die einzige ist; eine Wahl, die man allerdings billigen muß. Es giebt eine ganze Ordnung von Gefühlen, ich möchte sagen. eine ganze Ordnung von Tugenden, die mit der Kenntniß, oder wenigstens mit dem Geschmack an der Musik in Verbindung stehen; es muß für eine wahrhafte Grausamkeit angesehen werden, daß man einen großen Theil des Menschengeschlechts von diesen Gefühlen entfernt hält. Die Alten waren der Meinung, die Völker seyen durch Musik entwildert worden; in dieser Allegorie liegt ein tiefer Sinn; denn man kann nicht umhin, zu glauben, das Band der Gesellschaft sey durch Sympathie oder durch Interesse geknüpft worden; und wahrlich, der erste Ursprung ist edler als der zweite.
Pestalozzi ist nicht der einzige, der in der deutschen Schweiz sich mit Eifer dem Geschäft unterzieht, die Seele des Volks auszubilden; unter eben diesem Gesichtspunkt hat der Anblick der Anstalt des Herrn von Fellenberg mich erfaßt. Viele andere haben sich bei ihm über die neuere Landwirthschaftskunde Raths erholen wollen; man versichert, sie haben die gesuchten Aufschlüsse und Befriedigungen gefunden; was aber weit mehr noch die Achtung des Menschenfreundes verdient, ist die Sorgfalt, mit welcher Herr von Fellenberg sich der Erziehung des niedern Volks annimmt; er läßt die Landschulmeister nach der Pestalozzischen Methode unterrichten, damit sie den Kinderunterricht nach derselben fortsetzen; seine Feldarbeiter lernen die Psalmen nach Noten singen, und bald wird man auf dem Felde das Lob Gottes von einfachen, aber harmonischen Stimmen erschallen hören, welche zu gleicher Zeit die Natur und ihren Urheber preisen werden. So sucht Hr. v. Fellenberg auf alle Weise, zwischen den niedern Classen und der unsrigen ein liberales Band anzuknüpfen, ein Band, welches sich nicht bloß auf das Geldinteresse zwischen den Reichen und Armen einschränkt.
England und Amerika belehren uns, daß es nur freier Anstalten und Einrichtungen braucht, um den Verstand und die Weisheit des Volks zu entwickeln; doch ist es ein Schritt mehr, wenn man ihm, in Hinsicht auf den Unterricht und die Bildung, etwas über das Nothwendige hinaus zufließen läßt. Das Nothwendige, in jeder Art, führt etwas Empörendes mit sich, sobald es die Eigentümer des Ueberflüßigen sind, die es abmessen. Es ist nicht genug, sich mit dem Volke unter dem Gesichtspunkt des Nützlichen zu beschäftigen; man muß es auch an den Genüssen der Phantasie und des Herzens Antheil nehmen lassen.
In eben diesem Sinn haben sich aufgeklärte Menschenfreunde in Hamburg der wichtigen Aufsicht über die Bettelei unterzogen. In ihren Armen-Anstalten haben sie weder Despotismus, noch ökonomischen Spekulationsgeist eingeführt; sie haben es dahin zu bringen verstanden, daß Unglückliche und Dürftige von selbst eben so sehr nach der Arbeit Verlangen tragen, die man von ihnen fordert, als nach den Wohlthaten, die man ihnen zu ertheilen bereit ist. Da in ihren Augen die Armen nicht Mittel, sondern Zweck sind, so haben sie den Armen die Arbeit nicht zur Pflicht, sondern zum Wunsche gemacht. Aus den abgelegten Jahresrechnungen dieser Armenanstalten ersieht man, daß ihre Stifter mehr zur Absicht hatten, die Armen besser, als sie nützlicher zu machen; dieser hohe philosophische Gesichtspunkt bezeichnet vorzüglich den Weisheits- und Freiheitssinn jener alten ehrwürdigen hanseatischen Stadt.
Es giebt viel Sinn für Wohlthätigkeit auf Erden, und wer nicht in dem Fall ist, seinen Nebenmenschen durch Aufopferungen seiner Zeit und seiner Lieblingsbeschäftigungen nützlich zu seyn, hilft ihnen gerne mit Gelde; es ist immer etwas; keine Hülfe und Tugend darf verschmäht werden. Aber in den mehresten Ländern wird die ansehnliche Masse der Privatalmosen nicht mit Weisheit verwaltet, und der Baron von Voght und seine trefflichen Mitbürger haben der Menschheit den wesentlichsten Dienst dadurch geleistet, daß sie uns bewiesen, daß ohne neue Geld-Opfer, ohne Dazwischenkunft des Staats, die Privatwohlthätigkeit hinreiche, das Elend zu stillen. Was durch Einzelne geschieht, paßt vorzüglich für Deutschland, weil dort alles, theilweise betrachtet, immer besser ist, als das Ganze.
Die Armenanstalten müssen in Hamburg den besten Fortgang haben, da sie von der Moralität seiner Einwohner so kraftvoll unterstützt werden. Diese Moralität geht so weit, daß jeder lange Zeit hindurch seine Abgaben in eine Art von öffentlichem Schatzkasten entrichtete, ohne daß jemand
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