Ueber die Liebe und den Hass
empfunden hatte. Bevor er es sich noch anders überlegen konnte, stürzte er sich auf Monty, der wie ein Sack Kartoffeln zur Seite kippte. Die Jungen kamen hart zwischen den beiden Männern auf und fingen sogleich an, wild miteinander zu kämpfen. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, wurde Petru zu Boden geschleudert. Blitzschnell saß Monty auf Petru und bearbeitete seinen Kopf mit Faustschlägen.
Petru versuchte die Prügel abzuwehren und sich gleichzeitig zu befreien. Aber Monty lockerte seinen Griff nicht. Ein Konzert aus Rufen und Flüchen orchestrierte ihren Kampf. Arme und Beine zerrten und stampften. Petru hörte, wie Stühle scharrten und umfielen. Monty ließ sich von nichts und niemandem ablenken. Mit unbändiger Wut prügelte er weiter auf Petru ein. Petru hatte das Gefühl, alle Männer und Kinder, die im Saal versammelt waren, würden nun auf ihm liegen und über ihn hinwegdonnern, wie eine Horde wild gewordener Nashörner. Mit ungeahnter Kraft gelang es ihm, den linken Arm unter Montys Knie hervorzuziehen und einen ungelenken, aber zielsicheren Faustschlag seitlich an Montys Schläfe zu platzieren.
Kurz sah es so aus, als würde Monty das Gleichgewicht verlieren. Petru fing an, wild mit den Beinen zu strampeln, um Monty abzuwerfen.
Gerade als er glaubte, es sei ihm gelungen, wurde er von einer unsichtbaren Hand hochgezogen und hinausgeschleppt. Weg von den johlenden Zuschauern.
Er wurde erst wieder losgelassen, als sie sich bereits auf der Straße befanden, weit weg von dem Gemeindesaal, aus dem man die erstickten Schreie und lauten Stimmen noch hören konnte, wie das Gebrüll von Seeleuten auf einem Kahn, der unterzugehen drohte.
Petru schaute auf und bekam gerade noch mit, wie sein Vater sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr. » Magar« , murmelte er, als sie nach Hause gingen.
Es war kaum zu fassen, dass diese Esel den bebrillten drahtigen Beamten aus Temeswar bereits vergessen hatten, dachte Petrus Vater empört.
In ihrem grauen Geburtsort war er in der Hierarchie der Rangniedrigste gewesen, doch ihn hatte diese Position nicht gestört. Denn selbst am Ende der sozialen Leiter fand man noch genügend arme Schlucker, auf die man mit einem Gefühl der Macht herabsehen konnte. Zum Beispiel die Leute, die zu ihm an den Schalter kamen. Er sorgte dafür, dass der einfache Mann oder die einfache Frau auf der anderen Seite des Schalters ordentlich von dem enormen Einfluss beeindruckt waren, den er auf ihr armseliges Leben hatte. Er befragte sie gnadenlos nach ihren Beweggründen, Antrag x oder y zu verlangen, horchte sie über ihre Absichten aus, genoss es, die Leute schließlich wieder wegzuschicken, weil er noch weitere Unterlagen für die Behörde A oder B verlangte. Und wenn dann alle Papiere mühsam zusammengetragen waren, gelang es ihm, unüberwindliche Widersprüchlichkeiten in den Anträgen zu entdecken.
Anomalien bei den Geburtsdaten, das war seine Spezialität.
»Wie kommt es, dass bei der Frage nach dem Geburtsjahr Ihrer Mutter in diesem Dokument Angaben zu Tag oder Monat fehlen, wohingegen in diesem Dokument steht, sie sei am Tag null des nullten Monats im Jahr 1933 geboren?«
Die Antragsteller waren immer wieder sprachlos. Keiner hatte eine vernünftige Antwort darauf.
»Was ist das, der Tag null des Monats null? Soll ich dem etwa entnehmen, Ihre Mutter wurde an einem nicht existierenden Tag eines nicht existierenden Monats geboren? Darf ich bitte erfahren, wie so jemand aussieht?«
Die Kunst bestand darin, so zu tun, als wäre der Beamte Gott. Ihm durfte man niemals widersprechen, denn das wäre Blasphemie. Der Blick musste gesenkt werden, man konnte Gott keinesfalls direkt in die Augen schauen. Männer und Frauen schrumpften zusammen, ließen die Schultern hängen, blickten zu Boden, als würden sie ein Gebet sprechen, wenn sie eine scheue, unzureichende Antwort auf die unmöglichen Fragen des Beamten gaben.
Erst wenn die Antragsteller zum wiederholten Male vorgesprochen hatten, griff er im Zeitlupentempo zu seiner rostigen Schreibmaschine und zog ein weißes Blatt Papier ein, das langsam mit Zeilen, Zahlen, Kommas und Punkten gefüllt wurde. Dann setzte er ein paar Stempel darunter, einige sogar in Rot, und unterzeichnete das Dokument gravitätisch. Von allen Beamten der Stadt war nur er dazu befugt, die offiziellen Dokumente der Gemeinde zu unterzeichnen. Und noch während er, ganz der gewichtige Beamte, das Dokument abschloss, wurde er von den Antragstellern mit
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