Ueber die Liebe und den Hass
den Kopf an die Scheibe gelehnt. Vermutlich war es die ganze Nacht hindurch mit dem Bus gefahren und hatte vergessen, wo es aussteigen musste. Petru wusste sehr genau, wo er aussteigen musste, um zu seiner alten Wohnung zu gelangen.
Die Frage war nur, wie er hineinkommen sollte, damit er sich im Badezimmer auf die Suche machen konnte. Er wusste, dass die Haustür des Gebäudes meistens aufblieb, sogar während der Nacht. Aber selbst wenn sie abgeschlossen wäre, kannte er eine Technik, sie zu öffnen, denn das Schloss war ziemlich alt.
Er hoffte, dass die Wohnung noch leer stand, dann konnte er sie mit dem Schlüssel öffnen, den er vergessen hatte, seiner Mutter zurückzugeben.
Als er ausgestiegen war und der Bus an ihm vorbeifuhr, kreuzten sich sein Blick und der des Mädchens. Sie lächelte ihm zu, und Petru hatte das Gefühl, sie würde ihn verstehen, wenn er ihr von den Bunicâlis erzählte.
Die Eingangstür des Hauses stand sperrangelweit offen, genau wie er es erwartet hatte. Petru warf einen Blick auf den Briefkasten der zweiten Etage. »J. De Vlaeminck« klebte nun über dem Namen Monteanu. Petru seufzte. Er würde abwarten müssen, bis dieser J. aufstand und das Haus verließ. Der Name fiel auf zwischen »Sanovian« in der ersten und »Belkhire« in der dritten Etage. Petru überlegte, ob er zum Bäcker an der Ecke gehen sollte, um sich ein Schokoladencroissant zu holen und dort auf J. zu warten.
Als er sich auf der gegenüberliegenden Seite so postiert hatte, dass er den Hauseingang genau im Auge behielt, sah er, während er gierig sein Schokoladencroissant hinunterschlang, Mevrouw Sanovian mit den Zwillingen aus dem Haus kommen. Sie gingen in den Kindergarten. Beim Verlassen des Hauses hatte sie einen Stapel Werbeprospekte aufgehoben, den sie jetzt achtlos irgendwo auf der Fensterbank zurückließ. Sie machte sich nicht die Mühe, die Eingangstür zu schließen. Immer war Petru wegen der offenen Haustür gescholten worden; hiermit war seine Unschuld bewiesen.
Meneer Belkhire würde er nicht zu Gesicht bekommen. Der schlief jetzt wahrscheinlich nach der Nachtschicht in der Fabrik.
Nach einer Stunde Warterei bewegte sich noch immer nichts im zweiten Stock. Petru kamen Zweifel, ob J. De Vlaeminck überhaupt zu Hause war. Oder ob er noch dort wohnte.
Eilig überquerte er die Straße und stieg die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Ohne zu zögern, schlug er laut gegen die Tür. Drinnen blieb es still.
Zwei Stufen gleichzeitig nehmend, eilte er die Treppe hinunter und klingelte lange. Und stürmte wieder hinauf, wo er noch einmal kräftig gegen die Tür schlug.
Nichts.
Er holte den Schlüssel aus der Jackentasche, und genau in dem Moment, als er ihn ins Schloss stecken wollte, hörte er Gepolter in der Wohnung. Gerade noch rechtzeitig konnte Petru den Schlüssel verschwinden lassen. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und ein junger Mann, der sich sichtlich anstrengte, die schläfrigen Augen offen zu halten, steckte den Kopf heraus. Sein Haar stand in alle Richtungen.
Er schaute Petru lange an. Es kostete ihn die größte Mühe herauszufinden, worum es hier ging.
»Darf ich zur Toilette?«
»Was?«
»Ich muss wirklich dringend pinkeln.«
»Wer bist du?« J. gähnte und kratzte sich am Kopf.
»Petru.« J. klimperte mit den Augen und gähnte erneut. »Ich muss echt dringend.«
Noch bevor J. reagieren konnte, schlüpfte Petru in die Wohnung, rannte wie ein Hase ins Badezimmer und verriegelte die Tür. Erleichtert stellte er fest, dass der Spalt, aus denen die Bunicâlis kamen, noch nicht versiegelt war.
»He!«, hörte er J. rufen, bevor er die Wohnungstür mit einem Knall zuschlug.
Petru hielt das Gesicht nahe an den Spalt. »Ich bin zurück. Kommt ihr wieder heraus? Es tut mir leid, dass ich euch nicht vorwarnen konnte. Ich hatte angenommen, ihr würdet mir folgen wie sonst auch immer.«
»He, du Knirps!«
J. ging zum Badezimmer und hämmerte laut auf die verriegelte Tür ein. »Was soll denn das?«
Petru ignorierte ihn und blieb regungslos vor dem Spalt stehen. Aber es passierte nichts.
»Also bitte, jetzt komm da wieder heraus.« Tränen schossen ihm in die Augen. »Du kommst jetzt da heraus, oder ich rufe die Polizei. Hast du mich verstanden?«
J. fluchte und trat gegen die Tür.
Petru legte die feuchte Wange an die Kachel, ganz nah an den Spalt. »Wo seid ihr? Kommt doch. Ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut. Kommt doch heraus.« Mit dem Finger fuhr er über den Spalt,
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