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Ueber die Liebe und den Hass

Ueber die Liebe und den Hass

Titel: Ueber die Liebe und den Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachida Lamrabet
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müssen, da hatte es meistens an Dingen gelegen, die sich außerhalb ihrer Blutbahnen abgespielt hatten.
    Beim letzten Mal war es die Schuld des Polizisten aus ihrem Revier gewesen, der viel zu lange damit gewartet hatte, bei ihnen vorbeizukommen und ihren Wohnsitz zu bestätigen. Ein andermal waren sie auf die Straße gesetzt worden, weil Petrus Vater monatelang die Miete nicht gezahlt hatte. Er hatte damals sein ganzes Geld in ein Geschäft investiert, in der Hoffnung, dass es sie reich machen würde. Petrus Mutter hatte damit gedroht, ihn zu verlassen, doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, bis zum letzten Cent weiter auf das Geschäft zu vertrauen. Bis dann der Gerichtsvollzieher kam und sie hinauswarf. Die Koffer, die seine Mutter gepackt hatte, um ihre bereits geäußerte Drohung zu unterstreichen, hatten die Aufgabe des Gerichtsvollziehers erheblich erleichtert. Ruck, zuck waren sie draußen.
    Petru faszinierte die Vorstellung von den Miniminiwohnwagen. Er bildete sich ein, man könne sie nur unter einem superstarken Mikroskop erkennen. So ein Mikroskop, das nur die echten und superintelligenten Wissenschaftler besaßen.
    Wie Dexter in seinem Lieblingszeichentrickfilm, Dexters Labor . Aber seines Wissens hatte Dexter nie Blut untersucht. In keiner einzigen Folge. Dexter erfand Dinge. Einen fliegenden Roboter. Einen Trunk, der ihn in ein Mädchen verwandelte, damit er die beste Freundin von dem Mädchen werden konnte, in das er verliebt war, und somit ganz nah bei ihr sein und hören konnte, was sie am liebsten hatte. Eine Menschenfernbedienung, die Menschen Dinge tun ließ, die sie gar nicht wollten.
    Monty hatte Petru einmal dabei erwischt, wie er sich gerade auf dem Sofa räkelte und sich eine Folge von Dexters Labor anschaute. Er hatte nicht einmal gehört, dass Monty ins Zimmer gekommen war, so sehr ging er in Dexters Abenteuer auf.
    Erst als Monty schallend anfing zu lachen, schaute Petru auf und sah ihn mitten im Zimmer stehen und auf den Fernseher deuten.
    »Wie peinlich! Du siehst dir Dexter an! Sogar mein siebenjähriger Bruder findet, dass das ’ne Schwuchtelsendung ist! Hahaha!«
    Monty lachte derart laut und ausgiebig, dass Petru keine andere Wahl blieb, als sich zu schämen. Monty hörte nicht auf, zu prusten und seltsame Geräusche von sich zu geben. Petru dachte schon, er habe den Verstand verloren.
    Es war zweifellos Dexter, der versuchte, seine Menschenfernbedienung an ihm auszuprobieren.
    Danach hatten sie einen ganzen Tag lang nicht miteinander gesprochen.
    Ein paar Tage nach dem Besuch der öffentlichen Schule mit dem grauen Schulleiter hatte der Sozialarbeiter alle in den unbenutzten Gemeindesaal des Viertels zusammengerufen, um ihnen mitzuteilen, was sie bereits wussten. Die öffentliche Schule hatte alle sieben Kinder abgelehnt, weil sie zu Hause nicht Niederländisch sprachen. Das Niveau der Schule würde durch diese Kinder sinken, und das wäre weder für die Schule noch für die Kinder von Vorteil.
    Der Bürgermeister hatte sich der Sache selbst angenommen. Er hatte eine Richtlinie erlassen, sagte der Sozialarbeiter, die es der öffentlichen Schule verbot, die Kinder aufzunehmen.
    »Diktatoren!«, polterte Montys dickleibiger Vater. Ihm stieg das Blut in den Kopf, und einen Moment lang befürchtete Petru, er würde mit einem lauten, kurzen Knall explodieren.
    »Wir können dagegen klagen«, hatte der junge Sozialarbeiter vorgeschlagen. Seine Stimme bebte leicht und wurde von den Geräuschen der versammelten Männer und Kinder übertönt. Dennoch waren alle Gesichter auf ihn gerichtet. Er war ihre ganze Hoffnung, er stand auf ihrer Seite, und nun hatte er gesagt, dass etwas gegen die Schulverweigerung unternommen werden könnte.
    Aber Petrus Vater schüttelte den Kopf. »Das ist Kultur, merkt ihr das denn nicht?«
    Montys Vater sah ihn bestürzt an. Sein Gesicht, das gerade erst eine sanfte Rosafärbung angenommen hatte, drohte wieder purpurn zu werden.
    »Ja, merkt ihr das denn nicht?«, insistierte Petrus Vater. »In diesem Land wird man nicht weggejagt, man wird nicht mit Gewalt hinausgeworfen, nirgendwo. Habt ihr in der Schule vielleicht Schilder gesehen, auf denen stand: Roma sind Kakerlaken und müssen ausgerottet werden? Na?«
    Beifallheischend sah Petrus Vater jeden Einzelnen der Reihe nach an. »Ich bin mir sicher, man hätte uns eine Tasse Tee oder Kaffee angeboten, wenn wir nicht in so großer Schar dort erschienen wären. Wurden wir je auf diese Art zurückgewiesen?

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