Ueber die Liebe und den Hass
Sie lassen uns vortreten, hören sich unsere Argumente an. Dann denken sie lange und gründlich über das nach, worum wir sie bitten, sie lassen ihren Entschluss mit einem Gesetz bekräftigen und teilen uns dann ohne Umschweife mit, warum sie sich so und nicht anders entschieden haben. Wenn das keine Kultur ist, dann weiß ich es auch nicht.«
Montys Vater war inzwischen fast lila angelaufen, in Kombination mit der Farbe seines halbgeöffneten Mundes verhieß dies nichts Gutes. Er kam ein paar Schritte näher und schob Petru, der zwischen den beiden Männern stand, mit einer trägen Bewegung beiseite.
Der Sozialarbeiter wiederholte noch einmal, dass sie gegen diese Entscheidung klagen könnten. Diesmal versuchte er seiner Stimme ein wenig mehr Entschlossenheit zu verleihen. Er versuchte, laut über die Köpfe der nervösen Anwesenden hinwegzusprechen, in der Hoffnung, damit die aggressive Stimmung zu besänftigen, die zwischen den beiden Männern aufgekommen war. Die Adern an seinem Hals waren geschwollen, und der letzte Hauch Farbe verschwand von seinen dünnen Lippen.
Versehentlich verschob einer der Anwesenden einen Tisch, der an der Seite des Raumes stand.
»Nein, das werden wir nicht tun«, beharrte Petrus Vater. »Wir werden nicht klagen. Erzähl dem Bürgermeister und dem Schulleiter ruhig, dass wir sie nicht verklagen, weil auch wir Anstand haben und weil Leute mit Anstand einander verstehen. Du kannst ihn beruhigen, erzähl ihm einfach, dass wir, obwohl uns bekannt ist, dass man in dieser anständigen Welt gegen alles klagen kann, es nicht tun werden.«
»Hat dich die Hand Gottes gestraft?«, keuchte Montys Vater röchelnd. »Wir sollen die Kinder hier also einfach herumlungern lassen, weil wir Verständnis für die Kultur aufbringen?«
Es wurde still.
Petrus Vater trat ein paar Schritte näher zu Montys Vater.
»Siehst du denn einen Ausweg? Glaubst du im Ernst, dass wir gewinnen können? Wie lange klagen wir denn bereits gegen alles, was uns passiert? Und wie oft konnten wir erhobenen Hauptes nach Hause gehen? Wie oft haben wir Recht bekommen?« Es beunruhigte Petru, dass sich nun auch die Gesichtsfarbe seines Vaters veränderte. Normalerweise konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Selbst wenn er sich einem wilden Brontosaurus gegenübersah, der ihn ohne viel Federlesen zu Brei zermalmen wollte, verlor er nicht seine Selbstbeherrschung.
»Glaubst du wirklich allen Ernstes, du würdest als blöder magar zu deinem Recht kommen, wenn du einfach gegen alles und jeden angehst?«
Montys Vater strengte sich sichtlich an, herauszufinden, ob Petrus Vater ihn soeben einen Esel genannt hatte, und wenn ja, ob er ihm dann eine nonverbale Antwort verpassen sollte.
Am Ende klappte er den Mund zu, und damit waren auch die Goldzähne in der unteren Reihe nicht mehr zu sehen. Alle atmeten erleichtert auf.
Montys Vater hatte die Beleidigung geschluckt. Er hatte die brodelnde Wut gefressen, wie er alles fraß, was man nur schlucken konnte.
Und als niemand mehr damit rechnete, als alle sich erneut füßescharrend und hüstelnd dem Sozialarbeiter zugewandt hatten, um einen Vorschlag zur Güte zu vernehmen, da holte Montys Vater mit seiner Rechten kräftig aus. Mit einer derartigen Wucht, dass die ganze Gruppe mit einem unterdrückten Aufschrei zurückwich, als wäre sie ein großer schwerfälliger Körper, der durch einen kräftigen Schlag ins Taumeln geraten war. Jemand fasste sich sogar erschrocken an den Kiefer.
Petrus Vater stolperte rücklings und fiel in die Arme von Naunis Vater, der laut fluchend versuchte, ihn wieder auf die Beine zu bringen.
Nur für einen kurzen Augenblick hatte Petrus Vater das Gleichgewicht verloren. Ein Sprung, und er stand wieder aufrecht.
»Du schlägst«, stellte er leicht amüsiert fest.
Auf den Zähnen hatte er eine durchscheinende Schicht Karmesin.
»So, so, du schlägst also«, wiederholte er lächelnd, als wollte er nicht nur sich, sondern auch den anderen zeigen, zu welch ungeheuerlichen Scherzen Montys Vater in der Lage war.
Währenddessen ging er locker und selbstsicher wie ein tapferer Geächteter aus einem Westernfilm zu Montys Vater, der ihn mit geöffnetem Mund, blinkenden Zähnen und geballten Fäusten erwartete.
Petru wusste, dass sein Vater nicht die geringste Chance gegen diesen Koloss hatte. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Monty voller Selbstvertrauen und Stolz zu seinem Vater aufblickte. Petru dachte an Dexter und an die Scham, die er wegen Monty
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