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Ueber die Liebe und den Hass

Ueber die Liebe und den Hass

Titel: Ueber die Liebe und den Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachida Lamrabet
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Orangensaftpackung.
    »Wirklich nichts trinken?«
    Petru schüttelte den Kopf.
    Jasper ließ sich am Tisch nieder und zog zwei Zeichnungen zu sich heran. »Du findest also, dass ich deine Bunicâlis gut getroffen habe?«
    Petru setzte sich auch. »Sie haben ein etwas runderes Gesicht und ein bisschen mehr Falten, aber ansonsten stimmt es so. Du kannst gut zeichnen.«
    »Vielen Dank. Ich finde ja auch, dass ich gut zeichnen kann, nur mangelt es mir oft an Inspiration. Dieses Jahr muss ich meine Abschlussarbeit für die Akademie abgeben, aber seit Jahresbeginn habe ich nur Flimmern im Kopf. Deine Geschichte scheint mir interessant zu sein. Würde es dich stören, wenn ich einen Zeichentrickfilm davon mache?«
    Petru sah ihn verständnislos an.
    »Ein Zeichentrickfilm von dir und deinen Bunicâlis.«
    »Meinst du damit, dass du sie bewegen kannst? Ein echter Zeichentrickfilm? So wie Dexters Labor ?«
    »Ja, so was in der Art. Nur brauche ich dafür noch etwas Zeit. Aber sie werden sich bewegen. Sie werden lebendig sein, aus Rissen und Spalten hervorkommen. Was meinst du?«
    »Und kommt das dann im Fernsehen?«
    Jasper lachte.
    »Im Fernsehen, im Kino, überall auf der Welt, wir räumen alle Preise ab und werden berühmt! Darauf müssen wir trinken, Petru.« Jasper hielt ihm die Orangensaftpackung hin.
    Petru lachte etwas blöde. Berühmt werden! Die Möglichkeit hatte er noch nicht in Erwägung gezogen, aber der Gedanke gefiel ihm. Sehr sogar. Er nahm einen Schluck von dem süßen Saft.

Über die Liebe und den Hass
    Vierzig Tage sind seitdem vergangen. Vierzig Tage der Trauer. Darauf hätte ich Anspruch gehabt, wenn ich gestorben wäre. Aber ich bin nicht tot. Überall sind Maschinen, die versuchen, mich am Leben zu halten.
    Warum? Vielleicht weil ich noch jung bin, vielleicht weil diese Stadt nicht noch einen Mord dieser Art verkraften kann.
    Es gibt keine Sicherheit mehr, außer der Gewissheit, dass Katja es verkraften wird. Sie muss zwar noch oft weinen, aber sie wird es verkraften.
    Langsam und zögerlich wird sie ihr Leben wieder in die Hand nehmen und weitermachen, zunächst widerwillig, aber mit der Zeit wird sich auch die Freude wieder einstellen. Es wird vorkommen, dass sie sich schuldig fühlt, wenn sie herzhaft lacht, vielleicht wird sie bei dem Gedanken an mich ihr Lachen schnell ersticken. Sie wird sich ertappt fühlen, untreu und oberflächlich, sie wird sich selbst hassen, die ersten Male. Aber das geht alles vorüber, denn ich weiß jetzt, dass der Mensch vergessen kann. Jetzt weiß ich, dass Vergessen lebensnotwendig ist. Es betäubt den größten Schmerz, aber der Preis ist hoch. Wir sind dazu verdammt, immer wieder dieselben Fehler zu begehen.
    Es wird der Tag kommen, an dem Katja zum ersten Mal wieder lachen kann. Richtig lachen. Nicht um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nicht aus Höflichkeit, kein Lachen, um mitleidige Blicke abzuwehren. Sondern ein Lachen, das von innen kommt und sich wie eine Blüte entfaltet.
    Und jedes Mal, wenn sie so lacht, werde ich mich wieder daran erinnern, warum ich sie so geliebt habe.
    Sie wird einen Mann kennenlernen und eine Zeitlang mit ihm zusammenwohnen, um es auszuprobieren. Und wenn es gut läuft, wenn sie keine Zweifel mehr hat, wenn es das ist, was sie will, erst dann wird sie eine große Hochzeitsfeier veranstalten. Ihr erstes Kind, eine Tochter, wird sie Nour nennen, »Licht«.
    Was wir hatten, was soll ich dazu sagen? Mir haben Worte noch nie sehr gelegen. Wir hatten etwas Echtes, etwas Schönes.
    Als ich sie zum ersten Mal sah, da wusste ich, dass mein Leben von ihr abhing. In Anbetracht der jetzigen Umstände klingt das vielleicht zynisch, aber ich wusste, dass ich sie nicht gehen lassen durfte. Schlagartig konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, wie das Leben vor Katja ausgesehen hatte und wie es ohne ihre Anwesenheit wäre. Seitdem war alles Liebe.
    Recht bald fassten wir den Entschluss zu heiraten, vor dem Standesamt und ohne Probezeit. Wir zweifelten nicht im Geringsten aneinander.
    Habe ich schon erzählt, wie sich das Leben veränderte? Wie ich alles, was ich um mich herum sah, mit der Liebe in Verbindung brachte?
    Alles war Liebe. Überall war Liebe. Es nahm ziemlich peinliche Züge an. Ich konnte zum Beispiel lange ein verliebtes Pärchen auf der Straße anstarren, die Art, wie ihre Finger sich miteinander verflochten.
    Das eine Mal, als ich mit dem Zug nach Hause fuhr, nach einem Arbeitstag. Eine Frau und ein Mann, sie müssen um die

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