Ueber die Verhaeltnisse
von Pragmatikern im Team, die bereit sind, das Gesetz umzuschneidern. Das Zeug ist solide gebaut und steht für hohe Kosten auf Halde. Dabei ist es das einzige mit Nachfrage, immerhin. Moral und Geschäft, wer kann sich das leisten? Dieses Land tut höchstens so. Zum Glück ist der Kronzeuge rechtzeitig verblichen, der das Gesetz so eng gedeutet hat, wie es ursprünglich gemeint war. Daß jemand nachgeholfen hätte, läßt sich nur aus den Fingern zuzeln; wenigstens einmal hat jemanden im richtigen Augenblick der Schlag getroffen. So kann man ihm ein feierliches Andenken bewahren, schließlich war er einer der Ihren, und die paar Indizien, die er sozusagen aus dem Jenseits nachgereicht hat, werden durch beharrliches Ignorieren irgendwann inexistent.
»Komm«, sagt der junge Mann und wischt sich den Mund an seinem Taschentuch, »ich hab Sehnsucht nach den alten Zeiten.« Und sofort macht er sich auf den Weg, den er noch immer nicht vergessen hat, auch wenn er ihn nur noch selten begeht.
Mela hat Lust, seinen Arm abzuschütteln, aber dann läßt sie ihn, wo er ist, schließlich hat sie ihm eine heikle Frage zu stellen, und noch hat sie Hirn genug, zu wissen, wo sie am ehesten eine Antwort kriegt.
Sie muß ordentlich nachhelfen, aber gelernt ist gelernt in all den Jahren, also leiblich ist ihr Widerwille ja gerade nicht. Und während sie ihn schließlich doch in sich hat, peinigt sie ein Gefühl, als wäre sie der nackte Körper ihrer Tochter, der im selben Augenblick irgendwo auf der Welt die Stöße eines anderen Mannes auf die gleiche Weise erwidert. Und als sie dennoch die Lust ankommt, entspringt sie einer ihr fremden Leidenschaft, die den jungen Mann mit ihm nicht zustehender Genugtuung erfüllt.
So zärtlich hat er sie danach schon lange nicht mehr angefaßt. »Ich dachte bereits, es geht überhaupt nicht mehr«, flüstert er leckend in ihr Ohr, und die Befriedigung sickert aus allen seinen Poren. Noch immer liegen sie fest umarmt unter der blauen Seidensteppdecke, als Mela schließlich fragt: »Wo ist Heyn?« Der junge Mann hebt den Kopf von ihrer Achsel, und sogar im Dunkeln kann sie sehen, wie er stutzt. Sie spürt sein Nachdenken, und so, als interessiere es sie gar nicht so sehr, kitzelt sie ihn mit wissenden Fingern entlang der Wirbelsäule. Der Verdacht löst sich auf in Heimeligkeit und Prickelgefühle.
»In der Türkei«, sagt der junge Mann.
»So gut möcht es einem auch gehen, jetzt auf Urlaub zu fahren.« Mela ist hellwach und mit ihrem Fingerspiel bei den unteren Lendenwirbeln angelangt.
»Was heißt auf Urlaub?« Der junge Mann hat Melas Hand arretiert und schiebt sie an eine noch empfindlichere Stelle. »Der ist dort auf Posten.« Merkwürdigerweise stellt sich Erfolg ein, so abgeschlafft, wie er an sich ist, kann er es selber kaum fassen.
»Auf Posten?« Mela hält für einen Augenblick inne, aber da schubst sie der junge Mann schon, er will sein Wunder unbedingt haben.
»In besonderer Mission. Ein Kenner dieser Länder, der beste vielleicht. Er soll dort so einiges in Ordnung bringen.« Heiß schlägt ihr der neuerliche Appetit des jungen Mannes entgegen, und bevor sie sich wieder öffnet für ihn, holt sie noch einmal aus: »Gefährlich?«
»Wie das Leben«, jauchzt der junge Mann und stürzt sich hinein in das, was er im Augenblick dafür hält.
Frôs Schutzhaut war entzweigerissen, und lachend und weinend stieg sie daraus hervor. Die Welt mit ihren Bildern und Geräuschen, Gerüchen und Geschmäcken stürzte auf sie zu wie ein fremder Planet, in der gefährlichen Absicht, sie zu zermalmen, und noch wußte sie nicht, wie dem standhalten. Sie hatte keine Angst mehr, weder vor der Dunkelheit noch vor dem, was ihr geschehen könnte.
Schon als sie nach jener Nacht frühmorgens den Weg nach Hause nahm – sie hatte trotz der noch herrschenden Dunkelheit darauf bestanden, allein zu gehen –, waren von überall her Laute auf sie eingedrungen, die sie noch nie so deutlich vernommen hatte. Das noch schlaferstickte Gurren unter einem Taubenflügel und das Trippeln von Ratten an den Schienen einer aufgelassenen Tramwaylinie entlang. Dicker Dampf stieg aus den Kanaldeckeln über die eiskalte Straße, und das Mauerwerk knackte in einem letzten klammen Schrumpfen, während hinter den zugezogenen Vorhängen sich die Atemluft der gierigen Morgenschläfer ballte und leise die Stoffbahnen blähte. Sie sah eine Frau im Morgenrock, die sich fröstelnd aus einem Fenster im vierten Stock beugte,
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