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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Fügsamkeit weckt Verdacht. Wo liegt die Wahrheit der Ökologie? Wir könnten zwar sagen, es sei ein ungerechter Verdacht, denn von allen möglichen Zoos ist der in San Diego sicherlich der humanste, oder besser gesagt der animalischste. Aber in nuce enthält auch der Zoo in San Diego bereits die Philosophie, die in den ökologischen Reservaten jener »Welten der Wildnis«
    zum Ausbruch kommt, für die wir als Beispiel die »Marine World Africa-USA« in Redwood City bei San Francisco wählen. Hier können wir legitimer von einer Industrie der Fälschung sprechen, denn hier gelangen wir in ein Disneyland für Tiere, ein Stückchen Afrika, bestehend aus Inselchen, Strohhütten, Palmen, Flüssen mit Kähnen und Kuttern à la »African Queen«, auf denen wir Zebras und Nashörner »in freier Wildbahn« am anderen Ufer bewundern können, und mit einem Zentrum voller Freilichttheater, Aquarien, unterseeischen Höhlen mit Haien, Terrarien mit extrem gefährlichen Giftschlangen und so weiter. Symbolischer Mittelpunkt dieser Marine World ist das »Ecology Theater«, ein bequemes Amphitheater, in dem man sitzend (denn setzen muß man sich, sonst wird man von liebenswürdigen, aber gnadenlosen Hostessen dazu gedrängt, da alles sich hier im Zeichen des Wohlbefi ndens und der Ordnung abspielen muß, und man darf sich auch nicht einfach hinsetzen, wo man will, sondern möglichst nur neben die Zuletztgekommenen, so daß die Schlange sich ordentlich aufl öst und jeder gleich Platz nimmt, ohne erst lange zu suchen) eine als
    »Wildnis« hergerichtete Bühne betrachtet. Auf ihr agieren drei blonde Mädchen mit langen Haaren und Hippie-Look; die eine singt zuckersüß-zarte Folksongs zur Gitarre, die beiden anderen führen nacheinander ein Löwenjunges, ein Leopardenkätzchen und einen kaum sechs Monate alten bengalischen Tiger herein.
    Die Tierchen haben Halsbänder um und werden an Leinen
    geführt, aber auch wenn sie frei wären, würden sie nicht sehr gefährlich wirken, da sie, sei’s wegen ihres zarten Alters, sei’s wegen ein paar Mohnsamen in ihrem Müsli, ziemlich schläfrig sind. Eins der Mädchen erklärt, daß die Biester, obwohl gewöhnlich ungemein wild, sehr gutmütig seien, wenn sie eine sanfte und freundliche Umwelt fänden, und lädt die Kinder ein, auf die Bühne zu kommen und sie zu streicheln. Das Gefühl, einen bengalischen Tiger zu streicheln, hat man nicht alle Tage, und das Publikum atmet ökologische Friedfertigkeit durch alle Poren ein. In pädagogischer Hinsicht hat das Ganze, jedenfalls was die Kinder betrifft, sicherlich eine Wirkung, sicher lehrt es sie, keine wilden Tiere zu töten, falls sie jemals im Leben einem begegnen.
    Aber die Realisierung dieses »natürlichen Friedens« (als indirekte Allegorie des sozialen Friedens) hat ziemlich viel Aufwand und Mühe gekostet: Abrichtung der Tiere, Aufbau einer künstlichen Umwelt, die natürlich erscheint, Hostessen, die das Publikum drillen. Und so ist der Wesenskern dieses Lehrstückes über die Friedfertigkeit der Natur am Ende die Universale Dressur.
    Das Schwanken zwischen Verheißung einer unberührten
    Natur und Versicherung einer gekauften Ruhe ist permanent: Im Freilichttheater der großen Aquarienshow, wo die dressier-ten Wale ihr Können zeigen, werden sie uns als »Killer Whales«
    vorgestellt, und wir wollen gern glauben, daß sie lebensgefährlich sind, wenn sie Hunger haben. Einmal von ihrer Gefährlichkeit überzeugt, sehen wir sie voller Freude so brav und fügsam auf Kommando tauchen, um die Wette schwimmen, Luftsprünge
    machen, um sich Fische zwischen den Zähnen ihres Dompteurs zu schnappen, und mit fast sprechenden Seufzern auf die Fragen antworten, die ihnen gestellt werden. Das gleiche geschieht in einem anderen Freilichttheater mit Elefanten und Menschenaffen, und wenn das zum normalen Repertoire eines Zirkus gehört, muß ich sagen, ich habe noch nie so gehorsame und intelligente Elefanten gesehen. Nimmt man alles zusammen, die zahmen Raubwale, die Delphine, die schnurrenden Tiger, die Elefanten, die sich vorsichtig auf den Magen ihrer Dompteuse setzen, ohne ihr weh zu tun, so präsentiert sich diese Marine World als ein Miniaturmodell jenes Goldenen Zeitalters, in dem es keinerlei Konkurrenz und keinerlei »Kampf ums Dasein« mehr gibt, sondern Menschen und Tiere konfl iktlos in schönster Eintracht zusammenleben. Nur daß es zur Realisierung dieses Goldenen Zeitalters nötig ist, daß die Tiere sich einem Vertrag unterwerfen:

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