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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verwechselt wird. Außerdem lernen die Massenmedien, und daher sind die Raumschiffe in Krieg der Sterne, die sich ungeniert aus denen von Kubrick herleiten, komplexer und glaubwürdiger als ihr Urbild, das neben ihnen wie eine billige Imitation aussieht.
    Es wäre interessant, der Frage nachzugehen, warum dasselbe nicht auch bei den traditionellen Künsten geschieht, warum wir noch manchmal begreifen können, daß Caravaggio besser ist als seine Epigonen und daß die Courths-Mahler nicht mit Balzac zu verwechseln ist. Man könnte sagen, das Dominante in den Massenmedien ist nicht die künstlerische Invention, sondern die technische Realisierung, und die technische Invention ist imitier-bar und perfektionierbar. Aber das genügt noch nicht. Ein Film wie zum Beispiel Hammett von Wenders ist technisch sehr viel raffi nierter als der alte Malteser Falke von Huston, und doch sehen wir den einen nur mit Interesse, den anderen aber mit religiöser Andacht. Es kommt also auch ein System oder Horizont von Erwartungen unsererseits mit ins Spiel. Werden wir Wenders, wenn er so alt ist wie Huston, vielleicht mit der gleichen Andacht sehen? Ich fühle mich nicht berufen, so viele und große Fragen zu klären. Aber ich glaube, daß wir im Malteser Falken immer eine gewisse Naivität schätzen werden, die wir bei Wenders nicht mehr fi nden. Denn anders als der Film von Huston bewegt sich der Film von Wenders schon in einer Welt, in der nicht nur das Verhältnis der Massenmedien zueinander verändert ist, sondern auch das Verhältnis der Massenmedien zur sogenannten »hohen«
    Kunst. Der Malteser Falke war noch naiv, weil er einfach drauf-losfabulierte, ohne ein direktes und bewußtes Verhältnis zu den bildenden Künsten oder der »hohen« Literatur zu haben, während der Wenderssche Hammett sich bereits in einer Welt bewegt, in der diese Verhältnisse so unvermeidlich verquickt sind, daß es zum Beispiel schwer zu sagen ist, ob die Beatles außerhalb der großen Musiktradition des Abendlands stehen. Die Comics gelangen durch die Pop-Art in die Museen, aber die Kunst der Museen gelangt in die Comics durch die nicht-naive Kultur der diversen Crepax, Pratt, Moebius und Drouillet. Die Jugendlichen strömen Abend für Abend in einen Sportpalast, aber am ersten Abend hören sie dort die Bee Gees und am zweiten John Cage oder einen Pianisten, der Satie spielt (und am dritten Abend hörten sie frü-
    her auch – was sie leider jetzt nicht mehr können – die Sängerin Cathy Berberian, die Monteverdi und Offenbach und eben die Beatles sang, aber diese in der Manier von Purcell, wobei sie nichts in die Songs hineinlegte, was die Beatles nicht schon zitiert hatten, und zwar nur teilweise unbewußt oder unfreiwillig).
    Was sich verändert hat, ist unser Verhältnis zu den
    Massenprodukten wie unser Verhältnis zu den Werken der
    »hohen« Kunst. Die Unterschiede sind kleiner geworden oder verschwunden, doch mit den Unterschieden sind auch die Zeitbezüge, die Abstammungslinien, das Vorher und Nachher unkenntlich geworden. Der Philologe erkennt sie noch, der Normalverbraucher nicht. Wir haben bekommen, was die aufgeklärte und aufklärerische Kultur der sechziger Jahre verlangt hatte, nämlich das Ende der traditionellen Zweiteilung in einerseits primitive Produkte für blöde Massen und andererseits diffi zile Produkte für das gebildete Publikum mit dem feinen Geschmack.
    Die Distanzen sind zusammengeschrumpft, die Kritiker sind perplex – man sehe nur, welche (berechtigten) Hemmungen der Espresso kürzlich hatte, sich mit dem neuesten Song der Matia Bazar auseinanderzusetzen. Die traditionalistischen Kritiker ze-tern, daß es den neuen Untersuchungsmethoden am Sinn für den Unterschied zwischen Manzoni und Mickymaus fehle (und lügen schamlos, gegen alle gedruckte Evidenz), ohne sich klarzumachen (weil sie nicht hinsehen), daß es die Entwicklung der Künste selber ist, die heute den Unterschied zu verwischen trachtet. Man halte sich nur vor Augen: Ein Italiener mit wenig Bildung kann heutzutage Manzoni lesen (wieviel er von ihm kapiert, ist eine andere Frage), aber er scheitert an den Comics von Metal Hurlant (die manchmal so hermetisch, so prätentiös und langweilig sind, wie es nur die schlechten Experimentierer für die »happy few«
    in den vergangenen Jahrzehnten sein konnten). Woraus erhellt, daß mit solchen Horizontverschiebungen noch überhaupt nicht gesagt ist, ob die Dinge nun besser oder schlechter laufen; sie haben sich

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