Über Gott und die Welt
irgendwo in der Provinz), der sich entschlossen hat, es auf den Markt zu bringen, und zwar in großem Stil, um Geld zu verdienen, wie er es soll, und seine Arbeiter nicht zu entlassen? Oder mit der des Käufers, der sich legitimerweise bereit fi ndet, es zu tragen und damit ein Bild von Jugend und Ungezwungenheit oder von Glück zu propagieren? Oder mit der des TV-Regisseurs, der es seinen Schauspielern anzieht, um eine Generation darzustellen?
Oder mit der des Rocksängers, der sich von der Herstellerfi rma sponsern läßt, um seine Kosten zu decken? Alle sind drin und alle sind draußen, die Macht ist nirgendwo greifbar, und niemand weiß mehr, woher das »Projekt« kommt. Denn ein Projekt liegt zweifellos vor, nur ist es nicht mehr intentional, und folglich trifft man es nicht mehr mit der traditionellen Kritik der Intentionen.
Sämtliche Ordinarien für Kommunikationstheorie, die sich an den Texten der frühen sechziger Jahre gebildet haben (ich eingeschlossen), müßten sich arbeitslos melden.
Wo sind die Massenmedien? Im Fest, im Umzug, in der
vom Kulturreferat organisierten Diskussionsveranstaltung über Immanuel Kant, zu der neuerdings die Jugendlichen in Scharen strömen13, um dichtgedrängt auf dem Boden sitzend dem strengen Philosophen zu lauschen (der sich die Rüge des Heraklit zu eigen gemacht hatte: »Was zerrt ihr an mir von allen Seiten, ihr Ungebildeten? Nicht für euch habe ich geschrieben, sondern für jene, die mich verstehen«)?
Wo sind die Massenmedien? Was ist privater als ein
Telefongespräch? Aber was geschieht, wenn einer die
Aufzeichnung eines privaten Gesprächs dem Gericht übergibt, eines Telefongesprächs, das geführt worden ist, um aufgezeichnet zu werden und dann dem Gericht übergeben zu werden, damit ein indiskreter Justizbeamter es der Presse zuspiele und die Presse es bringe und so die laufenden Ermittlungen irregeleitet werden? Wer hat die Botschaft (und ihre Ideologie) produziert?
Der Ahnungslose, der am Telefon geschwatzt hat, der Anrufer, der das Band dem Gericht überbracht hat, der indiskrete Beamte, die Zeitung, der Leser, der das Spiel nicht kapiert und den Erfolg der Botschaft von Mund zu Mund noch vergrößert?
Es waren einmal die Massenmedien, sie waren böse, man weiß, und es gab einen Schuldigen. Ferner gab es die Tugendhaften, die ihre Verbrechen anklagten. Und die Kunst (ah, zum Glück), die Alternativen anbot für jene, die nicht Gefangene der Massenmedien sein wollten.
Gut, das alles ist nun vorbei. Wir müssen noch einmal ganz von vorne anfangen, uns zu fragen, was läuft.
(1983)
Die Fälschung und der Konsens
Der Student, den ich in der Bibliothek der Universität Yale treffe, kommt aus Kalifornien. Wir greifen beide nach derselben Nummer einer italienischen Zeitung, und so entdecke ich, daß er in meinem Land gelebt hat. Wir gehen in die Cafeteria hinunter, um eine Zigarette zu rauchen, und kommen ein bißchen ins Plaudern. Er erzählt mir von einem italienischen Buch, das ihn sehr beeindruckt hat, kann sich aber weder an den Titel noch an den Autor erinnern. »Warten Sie«, sagt er, »ich frage schnell mal eine Freundin in Rom. Haben Sie zehn Cents?« Ich gebe ihm die zehn Cents, er steckt sie in den Münzapparat an der Wand, wechselt ein paar Worte mit dem Fräulein vom Amt, wartet dreißig Sekunden und bekommt die Verbindung mit Rom. Er schwatzt eine Viertelstunde mit seiner Freundin, kommt zurück und gibt mir die zehn Cents wieder, die ihm der Apparat zu-rückerstattet hat. Ich denke, er hat ein R-Gespräch geführt, aber er sagt mir, er hätte die Code-Nummer eines multinationalen Konzern benutzt.
Im amerikanischen Telefonsystem (über das sich die Amerikaner ständig beklagen, da sie kein anderes kennen) kann man von jedem beliebigen Apparat aus mit Hongkong, Sydney oder Manila sprechen, indem man die Nummer einer speziellen Kreditkarte angibt. Ein Service für Manager großer Firmen. Die Nummer ist streng geheim, aber zahllose Studenten, besonders solche aus technologischen Departments, kennen sie. Ich frage, ob der multinationale Konzern nicht allmählich merkt, daß seine Nummer von allen benutzt wird, wenn er die Abrechnungen kontrolliert.
Sicher merkt er es, aber er zahlt der Telefongesellschaft eine Jahrespauschale, und es würde ihn zuviel Zeit kosten, jeden Anruf einzeln zu kontrollieren. Er kalkuliert ein paar zehntau-send Dollar für unbefugte Telefonate mit ein. Aber wenn er nun doch kontrolliert? Kein Problem, man braucht
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