Ueber Gott und die Welt
will den Begriff der Erfahrung nicht einschränken, sondern erweitern.
Übrigens hat es mir bei den Berufungen auf Lehrstühle in Hamburg, Zürich oder Heidelberg, die noch nie mit einem Katholiken besetzt worden waren, nie geschadet, dass ich aus meinem Katholizismus weniger Hehl gemacht habe als viele andere.
Gut, eine theologische Fakultät hätte mich vielleicht heute nicht berufen, obgleich ich 1973 gefragt wurde, ob ich einen Philosophie-Lehrstuhl in der theologischen Fakultät von Tübingen zu übernehmen bereit sei. Der mir das angetragen hat, war übrigens Hans Küng, aber das liegt lange zurück.
Da ich katholisch bin, sind mir bestimmte theologische Traditionen geläufig, die auch von philosophischem Interesse sind. Über den Disput zwischen Fénelon und Bossuet hätte zwar auch ein Ungläubiger schreiben können, aber wahrscheinlicherist es doch, dass ein Gläubiger darüber schreibt, weil er zu den Gegenständen, die da verhandelt werden, einen lebendigen Bezug hat. Aber mein spezielles Interesse an diesem Gegenstand war ein philosophisches und philosophiegeschichtliches.
Gibt es nicht Skeptiker, welche die Bedeutung des Glaubens für das Philosophieren überhaupt bestreiten?
Ja, es gibt natürlich Skeptiker, die aus ihrer Skepsis nicht wieder eine Theorie machen wollen, sondern sich persönlich als jemanden bekennen, dem es nicht gelungen ist, irgendeine Überzeugung für wahrer zu halten als eine andere, und die gern einen Grund dafür fänden, dies entscheiden zu können, ihn aber leider noch nicht entdeckt haben. Es gibt zynische Skeptiker, bekümmerte und schließlich vorsichtige.
Odo Marquard würde ich zum Beispiel zu den vorsichtigen rechnen. Sein Konservativismus, sein Plädoyer für das Bestehende beruht darauf, dass man eine feste Überzeugung davon haben muss, dass das, was man erreichen will, besser ist als das, was man schon hat. Der Skeptiker ist in der Regel konservativ.
Es gibt den Spruch: Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Ich habe mal geschrieben: Besser die Taube in der Hand als der Spatz auf dem Dach. Der Gläubige hat die Taube schon in der Hand, und die Utopien sind für ihn Spatzen.
Seit Ihrer Emeritierung im Jahr 1992 haben Sie sich im katholischen Raum stärker zu Wort gemeldet als zuvor, durch Artikel, Vorträge und Interviews. Sie nehmen auch zu innerkatholischen Auseinandersetzungen engagiert Stellung. Ist das tatsächlich nur der Zeit und Freiheit nach der Emeritierung geschuldet?
Ja, denn das Interesse an katholischen Fragen ist nicht erst nach meiner Emeritierung entstanden. Es gab Zeiten, da lud man mich ein, auf Katholikentagen zu sprechen. Ich erinnere mich noch, wie ich, damals noch Assistent in Münster, über das Thema sprach: »Die Kirche als Zeichen des Widerspruchs«. Ich erregte Anstoß, weil ich das zu enge Verhältnis von Kirche und CDU kritisierte.
Auf einem späteren Katholikentag setzte ich mich mit den Hoffnungsideologien auseinander. Vor mir hatte ein Bischof aus Südamerika mit der Parole Aufsehen erregt, die Kirche müsse für die Armen optieren, »denn die Armen werden siegen«. Dem hielt ich entgegen: »Was geschieht, wenn die Armen nicht siegen? Ist dann die Kirche nicht mehr auf Seiten der Armen? Ich würde sagen, erst recht, der Platz der Kirche wird immer auf der Seite der Verlierer sein. Also nicht auf der Seite von Marx.«
OSTERN AUF DEM ATHOS
Ostern 1981 auf dem Athos. Wir waren zu zehnt, einige Assistenten und Studenten aus meinem Institut, mein Sohn, ein junger Grieche und ein befreundeter Byzantinist. Wochen zuvor hatten wir uns bereits mit entsprechenden Empfehlungsbriefen die schwer zu erhaltenden Visa für die Mönchsrepublik besorgt.
Der Athos ist eine 45 km lange Halbinsel, die von Mönchen bewohnt wird und nur mit Visum ausschließlich von Männern besucht werden kann. Eine byzantinische Kaiserin soll einmal versucht haben, die Halbinsel zu betreten, wo ihr allerdings die Gottesmutter entgegentrat mit den Worten:»Ich bin hier die einzige Frau.« Auf dem Athos wird nur zum himmlischen Leben, nicht zum irdischen Leben geboren. So gibt es auch keine weiblichen Tiere, außer den wilden, die einer anderen Welt angehören. Es gibt aber auch keine Autos und keine Elektrizität. Man wandert von Kloster zu Kloster. Wir wanderten unter einer wundervollen Frühlingssonne, begleitet von Vogelgezwitscher. Wir wanderten von Kloster zu Kloster. Überall nahm man uns auf, beköstigte und beherbergte uns für eine
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