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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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Naturwesen muss der Mensch gar nichts anerkennen.
    Zur Anerkennung bedarf es des freien Willens. Neurobiologen und die Philosophen, die ihnen folgen, wollen den freien Willen durch Tests und methodische Konstruktionen wegdiskutieren. Vor allem die Freiheit der sogenannten instantanen Entscheidung wird negiert. Wie sehen Sie das?
    Freie Entscheidungen sind nichts Instantanes, sondern erstrecken sich über einen gewissen Zeitraum. Freie Akte haben eine zeitliche Dimension.
    Also: Ich will morgens um halb acht aufstehen. Dass ich überhaupt um diese Zeit aufstehen will, ist meine freie Entscheidung. Ich habe sie gestern Abend getroffen und den Wecker auf den Zeitpunkt gestellt. Der Wecker klingelt, und ich stehe auf. Ob ich jetzt eine Sekunde nach dem Weckton oder eine Minute, vielleicht sogar zehn Minuten später das Bett verlasse, das hat mit Freiheit nichts zu tun.
    Da handle ich so, wie die Neurophysiologen sagen. Dabei kann ich mir zuschauen. Ich sage, ich stehe jetzt auf, und bleibe doch noch ein wenig liegen. Wann stehe ich denn jetzt auf? Ich bleibe vielleicht noch einen Moment im Bett. Auf einmal bewegen sich meine Beine. Ich erhebe mich vom Bett. Ich kann mir selber zuschauen, wie irgendwann die Schwelle überschritten wird. Ich bin aufgestanden.
    Grundlose instantane Handlungen sind »Ereignisse«, keine Paradigmen für Freiheit. Da funktioniert etwas einfach automatisch. Dazu ist Denken gar nicht nötig. Aber dass ich überhaupt ungefähr um halb acht aufstehe, das ist meine Entscheidung. Das habe ich schon Stunden zuvor beschlossen. Vielleicht will ich aber heute überhaupt liegen bleiben. Ich fühle mich schlecht und bleibe bis mittags liegen. Auch das ist meine freie Entscheidung.
    Wenn ich mir zum Beispiel abends vornehme, morgens aus Testgründen fünf Sekunden nach dem Weckerklingeln aufzustehen, und ich tue das auch, dann tue ich aus freien Stücken, was ich sonst automatisch tue.
    Aber Freiheit ist so wenig etwas Instantanes wie unsere lebendige Existenz. Leben existiert nur in zeitlicher Erstreckung. Und so auch Freiheit. Es kann sein, dass die Schwelle des Bewusstseins erst erreicht wird, wenn ich schon angefangenhabe, etwas zu tun. Aber das ist kein Argument gegen die Freiheit des Handelnden.
    In meinem »Personen«-Buch habe ich zu zeigen versucht, dass unser Zeitbewusstsein darin seinen Ursprung hat, dass wir uns erst in der Zeit objektiv werden. Innerlichkeit wird sich selbst zu einem Äußeren, nur noch Erinnerten – darin entsteht Zeit.
    Am Beginn Ihres Buchs, im 2. Kapitel mit der Überschrift »Warum wir Personen ›Personen‹ nennen«, greifen Sie das Thema der Personen Gottes auf und verweisen auf die Trinitätslehre, woran sich Nicht-Christen stoßen können. Warum erscheint sie Ihnen als paradigmatisch?
    An einer These über den Ursprung einer Idee sollte man sich nicht stoßen. Man könnte höchstens sagen, sie sei falsch.
    Die Trinitätslehre erscheint mir paradigmatisch, weil der Gedanke des
Habens
einer Natur durch eine Person erstmals in der Trinitätslehre und in der Christologie gedacht wird: Gott als jemand, der eine göttliche Natur hat, die er deshalb auch mitteilen kann in der Weise der »Zeugung« des Logos als zweiter göttlicher Person, oder »Hypostase«, wie die Griechen sagen.
    Und ebenso hat man die Identität Jesu als »wahrer Gott und wahrer Mensch« zu denken versucht, indem man Jesus als göttliche Person dachte, die sich zu ihren beiden Naturen, der göttlichen und der menschlichen, verhalten kann, indem er sie
hat
. Man muss sich diese Spekulation nicht zu Eigen machen, um zu sehen, dass sie das Modell für den mittelalterlichen und modernen Personenbegriff abgab.
    Abgesehen davon ist die Trinitätslehre ein kostbares Lehrstück, weil sie eine Paradoxie in jedem nicht-trinitarischen Monotheismus beseitigt. Es gibt tiefe Gründe, Gott als Person zu denken. Und der Personbegriff, den wir heute haben, istwesentlich dialogisch. Wir können Personen nur denken in Relation zu anderen Personen.
    Und inwieweit hat der Gedanke der drei Personen Gottes etwas mit der »Schöpfung« oder der »Offenbarung« zu tun?
    Thomas von Aquin schreibt, in der Hervorbringung des Logos, durch welche Gott sich selbst objektiv wird, spreche der Vater »sich selbst und die Kreatur aus«. (
Quod eodem verbo scilicet filio pater dicit se et creaturam.
)
    Schon das »Buch der Weisheit« spricht von der göttlichen Weisheit, durch die Gott den Kosmos schafft, wie von einer Person, deren

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