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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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Art. Aber von dem Moment an, wo dieselben Autoren sich einer normativen Sprache bedienen, wird das Wort »Biologismus« plötzlich pejorativ. Die Leute, die in der Anthropologie den Biologismus so weit treiben wie möglich, weisen jede Normativität des Natürlichen zurück.
    Ein utilitaristischer Autor wie Peter Singer, für den die bloße Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht keine Würde impliziert und für den der Wert eines erwachsenen Schweins höher steht als der eines menschlichen Babys von einem Jahr, verlangt von uns eine moralische Haltung, die den Platz Gottes einnimmt, einen Platz oberhalb jeder endlichen Perspektive oder oberhalb jeder Relation von Nähe und Ferne. Er verbietet jede Parteinahme für die Verwandten und für die Mitglieder der Menschheitsfamilie. Er fordert eine totale Uneigennützigkeit als einzig mögliche moralische Haltung.
    Mit anderen Worten, er proklamiert einen »antinatürlichen« Spiritualismus und gleichzeitig eine materialistische Anthropologie. Moral wird unabhängig von jeder Anbindung an das Natürliche und emanzipiert sich von jeder Verbindung mit der menschlichen Natur.

    3. Seit einigen Jahrzehnten hat sich eine fundamentale und manchmal fundamentalistische Reaktion gegen den cartesischen Dualismus gebildet, gegen die Transformation der Natur in ein bloßes Objekt fortschreitender Herrschaft.
    Man hat begonnen zu verstehen, dass die Mittel der Naturbeherrschung immer zugleich Mittel der Beherrschung des Menschen durch den Menschen sind. Und man hat sich immer mehr Rechenschaft abgelegt über die verhängnisvollenNebenwirkungen einer Unterwerfung der Natur unter menschliche Planung von immer größerer Reichweite.
    Man beginnt also zu verstehen, dass jeder Versuch, die Nebenwirkungen durch Ausweitung der Planung in den Griff zu bekommen, zu immer größeren Nebeneffekten dieser neuen Planung führt, was der Soziologe Friedrich Tenbruck sehr gut gezeigt hat.
    Aber die ökologische Bewegung leidet oft an der gleichen Ambivalenz, von der ich hier spreche. Man versichert, der Mensch müsste darauf verzichten, eine privilegierte Position zu beanspruchen, einen Ausnahmeplatz in der Natur. Er soll verstehen, nicht der Mittelpunkt der Welt zu sein, sondern ein natürliches Wesen unter anderen. Und er soll diese anderen mit der gleichen Achtung behandeln, die er für sich selbst beansprucht.
    Diese Forderung ist aber in sich widersprüchlich. Jedes natürliche Wesen ist nämlich für sich selbst Mittelpunkt der Welt. Der Rest der Welt ist nur Umwelt. Für die Katze ist die Maus nur eine Beute. Sie weiß nicht, was sie selbst für die Maus ist.
    Der Mensch ist ein Ausnahmefall. Er hat, so sagt Helmuth Plessner, eine »exzentrische Position«. Er hat sozusagen einen Blick von nirgendwo, eine »view from nowhere«. Er weiß, dass die Wesen in sich selbst noch etwas anderes sind als das, was sie für uns sind. Nur aufgrund dieser ganz und gar exzeptionellen Situation kann der Mensch andere natürliche Wesen respektieren.
    Das biblische Mandat an den Menschen, die Natur zu beherrschen, verlangt, dass er sich benimmt wie ein wohlwollender Herr gegenüber seinen Untertanen, auch wenn er sie nebenbei für seine eigenen Interessen nutzt. Der Mensch ist selbst ein Tier, das von einer gewissen Ausbeutung seiner Umwelt lebt. Aufgrund seiner spezifischen Qualitäten kanner den Bereich seiner Herrschaft unbegrenzt ausweiten, aber nur kraft dieser spezifischen Qualitäten kann er sich selbst Grenzen setzen. Wer diese privilegierte Position des Menschen verneint, verneint die Möglichkeit der freiwilligen Selbstbeschränkung.
    Eine privilegierte Position des Menschen aufgrund seiner exzentrischen Position zu behaupten bedeutet nicht, in das zurückzufallen, was ich Spiritualismus genannt habe. Der Mensch ist ein spirituelles und gleichzeitig ein natürliches, inkarniertes Wesen. Die natürliche Ordnung von Nähe und Ferne gehört zur Natur des Menschen. Der Mensch kann sich von seiner Natur emanzipieren, wenn er will, aber auch wenn er sich davon emanzipiert, wird er nicht Gott. Er wird nur ein sich selbst entfremdetes Wesen, und radikal emanzipieren kann er sich nur durch Selbstmord.
    Die
conditio humana
ist weder rein biologisch noch rein spirituell. Die natürliche Ordnung wird nicht außer Kraft gesetzt, sondern in einen vernünftigen
ordo amoris
transformiert. Aber diese Analogie zwischen Natur und Vernunft ist unverträglich mit der Dialektik von Spiritualismus und Naturalismus, die als

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