Ueber Gott und die Welt
Jaspers thematisierte die »existentiellen« Fragen. Er war ein Moralist. Aber gerade als solchem begann ich ihm gegenüber kritisch zu werden, vor allem wegen seines Vorschlags, einem Erstarken des kommunistischen China durch einen Atomschlag »für die Freiheit« zuvorzukommen.
Heideggers ontologische Existenzialanalyse hatte mit dem Existenzialismus wenig zu tun. Sie schien mir aber zunehmend das philosophisch Interessantere zu sein. Den Heidegger-Kult habe ich allerdings nie mitmachen können. Joachim Ritter übrigens hielt auch eine Vorlesung über Heidegger. Er verstand ihn im anti-existenzialistischen Sinne, ja machte aus ihm beinahe einen Aristoteliker.
Aber Anti-Heideggerianer sind Sie auch nicht geworden?
Nein, weil ich, wie gesagt, Abstand hielt, das heißt, mich auch nicht darauf einließ, eine Gegenposition zu ihm einzunehmen.
Sehr viel später habe ich einmal einen kleinen Aufsatz über ihn geschrieben. Er diente als Einleitung zu einer Heidegger-Tagung, die zu dessen 100. Geburtstag im Jahr 1989 stattfand, und behandelte das Thema »Die Philosophiegeschichte nach Heidegger«. Ich regte an, »über die Weise, uns auf Heideggers Denken einzulassen, selbst noch einmal nachzudenken, und zwar mit Hilfe dessen, was wir von Heideggers Umgang mit Denkern der Vergangenheit gelernt haben«.
Auch in Aufsätzen der letzten Jahrzehnte komme ich immer wieder auf Heidegger zurück, weil man nicht umhin kann, sich auf seinen Gedanken einzulassen, wenn man auf hinreichend grundlegende Probleme der Philosophie stößt.
Sie sagten, Sie taten sich mit der Lektüre von Heidegger nicht leicht. Lag das an dessen besonderem Jargon?
Kann sein. Ich habe mich seit den Anfängen meiner philosophischen Versuche sehr ungern irgendwelchen sprachlichen Moden angepasst. Ich war immer der Meinung, dass man in der Philosophie mit der normalen Sprache weiterkommen muss. Die Umgangssprache ist die oberste Metasprache.
Auch als ich eine Zeit lang Karl Marx oder Georg Lukács las, habe ich mir nie deren Jargon angewöhnt, von dem der »Frankfurter« gar nicht zu reden.
Was bei Ihnen schon früh auffällt, ist die Hinwendung zu Frankreich. Wie kam es dazu?
In der Tat hat mich der französische Geist schon früh interessiert. In meiner Zeit als Verlagslektor folgte ich einmal einer Einladung des Cusanuswerks als Dozent an einer einwöchigen Tagung in Montpellier. Ich sprach eine Woche über die beiden Frankreichs und illustrierte meine These an den Beispielen Descartes und Pascal, Pascal und Montaigne, Fénelonund Bossuet, Voltaire und Rousseau, Comte und Saint-Simon, Maurras und Péguy, Bergson und Valéry.
Dem Raunen in der deutschen Philosophie ausgesetzt, zog mich die Klarheit französischen Denkens an, die Präzisierung der Gegensätze. Allerdings ist das französische Denken unter dem Einfluss Heideggers bald darauf mehr und mehr dem deutschen Einfluss verfallen und hat zu raunen begonnen.
Hatten Sie Französischunterricht in der Schule?
Nicht einmal das. Aber ich hatte während meiner Gymnasialzeit bei einer Nonne Privatunterricht in Französisch. Es waren dann nach der Kriegszeit auch erste persönliche Beziehungen zu Franzosen, die mein Bild von Frankreich bestimmten. Es gab die Zeitschrift »Documents«, die Père de Rivier in Paris leitete und deren Intention es war, französischen und deutschen Intellektuellen ein Forum gegenseitigen Austauschs ihrer Gedanken zu bieten.
Ende der vierziger Jahre wurde mir überraschend die Chefredaktion für eine deutsche Ausgabe mit dem Titel »Dokumente« angeboten. »Documents« spielte damals eine gewisse Rolle beim gebildeten Publikum. Darum empfand ich das Angebot als eine große Ehre. Doch habe ich schließlich der Versuchung widerstanden.
Auch als mir die Chefredaktion der Zeitschrift »Hochland«, die auf eine illustre Tradition zurückblickte, angetragen wurde, lehnte ich ab und setzte mein Studium fort. Aber über die »Documents« kam ich bald in Kontakt mit französischen Intellektuellen und partizipierte an den Auseinandersetzungen im Nachbarland.
Beschäftigten Sie sich mit den französischen Theologen und Philosophen, die nach dem Krieg auch in Deutschland beachtet wurden?
Henri de Lubac und Jean Daniélou nahm ich erst in den fünfziger Jahren wahr. Aber die Philosophen Jacques Maritain und Étienne Gilson spielten für mich, den Thomas von Aquin-Leser, sehr bald nach dem Krieg eine wichtige Rolle.
Maritain war ein reiner Thomist, dessen Thomismus vor allem durch
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