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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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Nationalsozialist.
    Und er hat bis 1933 versucht, die »Machtergreifung« Hitlers zu verhindern, so durch sein Plädoyer für eine Notstandsdiktatur des Reichspräsidenten als »Hüter der Verfassung«. In seiner Schrift »Politische Theologie« aus dem Jahr 1922 behandelt er in einem Kapitel die sogenannten Konterrevolutionäre de Maistre, de Bonald und Donoso Cortés. Als ich die wenigen Seiten über de Bonald las, hat mich das sofort neugierig gemacht.

KAPITEL 3
UM DAS JAHR 1950
    Existenzialismus, das Interesse für Frankreich und die Dissertation über de Bonald
    Was waren Ihre geistigen Interessen neben dem Studium? Hat Sie der Existenzialismus beschäftigt?
    Der Existenzialismus hat damals jeden beschäftigt, der bewusst zu leben versuchte. Jean Paul Sartres »L’être et le néant« war das Kultbuch der Zeit, es brachte das Lebensgefühl einer Generation zum Ausdruck, obwohl die meisten dieses 1943 in Paris unter deutscher Besatzung erschienene schwierige Buch nie gelesen haben.
    In seinem Vortrag »L’existentialisme est un humanisme« versuchte Sartre den Anschluss zu gewinnen an die Bewegung, die er selbst in Gang gebracht hatte mit seiner These von der radikalen, durch keine menschliche Natur und keinen objektiv geltenden Wert umgriffenen Existenz. Der Vortrag zeigte aber auch, wie Sartre seinen Radikalismus dem common sense anpasst und seine philosophischen Gedanken einem außerphilosophischen Maßstab unterwirft, dem, was er »Humanismus« nennt, also einerseits dadurch, dass er sich als Vater eines »Ismus« versteht, eben des Existenzialismus. Andererseits aber dadurch, dass er diesen Existenzialismus vor dem Maßstab eines Humanismus zu rechtfertigen sucht, statt diesen Maßstab selbst in Frage zu stellen, wie das Heidegger in seinem »Brief über den Humanismus« tut.
    Sartre war Repräsentant eines tragizistischen Lebensgefühls, das bis in die Vorläufer unserer Diskotheken reichteund bis in die französischen Chansons, etwa von Juliette Gréco. Aber auch in die Welt des Theaters, und zwar nicht nur durch Sartres eigene Stücke. Ich erinnere mich an die Faszination durch Jean Anouilhs »Antigone«. Für Sartre bleibt zwar der Atheismus konstitutiv. Aber das Gefühl, in einer Situation der Entscheidung auf eigenes Risiko und ohne »objektive« Absicherung zu stehen, gab es auch in christlichen Kreisen.
    So bei Gabriel Marcel, mit dem ich freundschaftlich verbunden war und der ja auch Stücke schrieb. So auch übrigens bei dem Münsteraner Philosophen Peter Wust, der sein Buch »Ungewissheit und Wagnis« dem später so berühmten Bischof Graf Galen überreichte und auf dessen Frage, wovon das Buch handle, zur Antwort gab: »Vom Glauben, hochwürdigster Herr.« Die Antwort des »Löwen von Münster«: »Herr Professor, für mich ist der Glaube keine Ungewissheit und kein Wagnis.«
    Meine eigene Berührung mit dem Thema »Wagnis« wird ersichtlich aus dem ersten veröffentlichten Aufsatz meines Lebens, der 1946 in »Ende und Anfang« erschien mit dem Titel »Vertrauen – ein Wagnis«, den ich schon erwähnte. Die Wahl des Themas spiegelte natürlich die Zeit wider.
    Wurde die Metapher oder der Begriff »Sprung« nicht von Sören Kierkegaard in die philosophische Sprache eingeführt?
    Zumindest hat Kierkegaard sie häufig verwendet. Nicht nur mich beschäftigte Kierkegaard damals. Seine »existentielle« Philosophie lag in der Luft. Die dialektische Theologie, Karl Barths »Römerbrief«, gehört auch in diesen Kontext.
    Für Kierkegaard ist der Glaube das absolute Paradox, eigentlich das extrem Unwahrscheinliche. Wer den Sprung macht, setzt auf das Unwahrscheinliche.
    Daneben aber las ich auch John Henry Newmans »Grammar of Assent«, »Philosophie des Glaubens«. Hier tauchte dasselbe Thema auf, wird aber, so möchte ich sagen, in ruhigerer, in angelsächsischer Form behandelt. Bei Newman beruht der Glaube zuerst einmal auf einer Wahrscheinlichkeit. Man kann es hochwahrscheinlich machen, dass er wahr ist. Aber wie komme ich, fragt Newman, von der Wahrscheinlichkeit zur Gewissheit? Was bedeutet »assent«, Zustimmung? Auch hier geht es um einen »Sprung«. Solcher Art waren die existentiellen Fragen, die mich damals beschäftigten.
    Wenn Sie sich mit solchen »existentiellen« Fragen befassten, warum sind Sie dann nicht auch für ein Semester nach Freiburg gegangen, um Martin Heidegger zu hören, wie so viele Ihrer Generation?
    Sie könnten mich eher fragen, warum ich nicht zu Karl Jaspers ging.

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