Ueber Gott und die Welt
theologica«, aber auch mit den »Quaestiones disputatae de veritate«, kleineren Schriften, die oft sehr interessant sind.
1948 studierte ich ein Jahr lang an der Universität Fribourg in der Schweiz. Dort war die Philosophie des Thomas von Aquin obligatorisch und wurde nicht nur aus philosophiehistorischem Interesse behandelt. Die Vorlesungen wurden auf Latein gehalten.
Die Systemtheorie des Wiener Biologen Ludwig von Bertalanffy lernte ich zunächst auf Lateinisch kennen. Daneben – und eigentlich war ich hauptsächlich deswegen nach Fribourg gegangen – befasste ich mich mit Logik, und zwar bei einem der damaligen weltbekannten Päpste der modernen Logik, Joseph Maria Bocheński, einem polnischen Dominikaner.
Was lasen Sie außerdem?
Bücher, die man als Philosophiestudent gelesen haben musste, die »Metaphysik«, die »Physik« und die »Nikomachische Ethik« des Aristoteles, die »Kritik der reinen Vernunft«, Hegels »Phänomenologie des Geistes«. Aber ich bin immer sehr selektiv vorgegangen bei meiner Lektüre. Nur das, was mich wirklich interessierte, nahm ich mir vor.
Rückblickend kann ich nur den Kopf darüber schütteln, dass ich ein Buch, das für mich später eines der wichtigsten wurde, nämlich Kants »Kritik der Urteilskraft«, in der das Problem der Teleologie diskutiert wird, in meiner ganzen Studienzeit schlicht übergangen habe.
Im Rigorosum wurde ich zum Glück darauf nicht angesprochen. Heute würde ich es einem Studenten übel ankreiden, wenn er dieses Werk nicht gelesen hätte, bevor er ins Rigorosum geht. Aber damals leistete ich es mir, davon keine Notiz zu nehmen. Es gibt noch viele Beispiele für das Übergehen von Büchern, die ich hätte lesen müssen.
Was las ich sonst? Die »Dialektik der Aufklärung« von Horkheimer und Adorno, von Karl Rahner »Geist in Welt«, »Der Römerbrief« von Karl Barth, von Gustav Siewerth »Thomismus als Identitätssystem«, Stifters »Nachsommer«, Ernst Jüngers »Marmorklippen« und »Das abenteuerliche Herz«, dann in den fünfziger Jahren Samuel Beckett, Raymond Radiguet »Le Bal du Comte d’Orgel« (worauf mich ein Briefwechsel von Maritain mit Cocteau aufmerksam gemacht hatte). Und dann – was sonst? – Shakespeare; Ilias und Odyssee, die Aeneis und die Divina Commedia.
Gab es für Sie in dieser Zeit Lehrer oder einflussreiche Personen, die Ihnen vorschrieben, dass man den einen Philosophen nicht mehr ernst nehmen oder hinter einen anderen Autor nicht mehr zurückgehen kann?
Dagegen – also gegen das Vorurteil, bestimmte Bücher brauche man nicht mehr zu lesen oder bestimmte Dinge könne man nicht mehr sagen – habe ich mich immer gewehrt. Diese Haltung lehne ich noch heute ab. Wenn mir jemand sagt, dies oder jenes könne man doch seit irgendeinem Epocheneinschnitt nicht mehr sagen, dann antworte ich: »Ich hab es doch gerade gesagt.«
Im Übrigen: Philosophie ist geradezu definiert dadurch, dass sie auf Fragen zurückkommt, die man für erledigt hielt.
Sie ließen sich also nicht einschüchtern, wenn Ihnen nachgesagt wurde, Sie hätten auf einen falschen Trend gesetzt?
Ich habe nie auf Trends gesetzt. Trends waren Gegenstand meiner Fragen. Im Übrigen fällt es mir schwer, genau Rechenschaft abzulegen über die Stadien meiner philosophischen Entwicklung. Und man ist – was Martin Mosebach sehr schön geschrieben hat – dort am meisten Kind seiner Zeit, wo man glaubt, ganz originell zu sein.
Meine intellektuelle Vita hatte immer etwas Traumwandlerisches.
Trahit sua quemque voluptas.
»Jeden reißt seine Leidenschaft fort.« – das gilt auf jeden Fall für mich. Die Entwicklung folgte – ebenso wie mein Leben – keinem Plan. Was ich tat und dachte, tat und dachte ich immer mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit. Aber die Sicherheit war nicht begründet in einer methodischen Absicherung. Die Frage nach meiner philosophischen Methode hat mich immer in Verlegenheit gebracht.
Das dicke Buch von Hans-Georg Gadamer »Wahrheit und Methode« vertrat dann ja wohl auch eine These, der ich von jeher zuneigte: Methode ist keine Wahrheitsgarantie. Das Philosophische an der Philosophie sind nicht die methodisch gewonnenen Resultate, sondern die Gründe für die Wahl einer bestimmten Methode.
Mit meinen Lektüren ist es ähnlich. Ich folgte meinen Interessen, und ich war immer zum Schreiben angeregt, wenn ich glaubte, einem Trend widersprechen zu sollen. »Ich würde mir nicht anmaßen«, schreibt Rousseau, »Menschen belehren zu
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