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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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utilitarianism« setzt das höchste Ziel in die Steigerung des Wertgehaltes der Welt. Ich habe jahrzehntelang diese Ethik kritisiert, beginnend mit meiner und Ernst-Wolfgang Böckenfördes Kritik der Rechtfertigung der atomaren Bewaffnung durch führende deutsche Moraltheologen.
    In dieser Ethik verschwindet der Gedanke der Naturgemäßheit des menschlichen Handelns zugunsten eines unerreichbaren Ziels, das alle möglichen Handlungsweisen als Mittel akzeptiert.
    Spielte nicht auch Ihre publizistische Tätigkeit mit, bei der es um die Ablehnung der atomaren Bewaffnung der neugeschaffenen Bundeswehr ging? Da wurden doch auch ethische Fragen aufgeworfen.
    Ja, aber diese publizistischen Ausflüge waren weniger von den Aufgaben meiner Lehre oder von meinen philosophischen Versuchen bestimmt als von einem Engagement, zu dem ich mich provoziert fühlte. Rousseau schreibt einmal: »Ich würde mir nicht anmaßen, Menschen belehren zu wollen, wenn ich nicht beobachtete, wie andere sie irreführen.« Das gilt auch für mich. Am Beginn eines Textes steht für mich fast immer irgendeine Irritation. Wenn alles in Ordnung wäre und wenn ich dem meisten, was ich lese, zustimmen könnte, dann wäre ich zufrieden. Ich würde gerne schöne Dinge tun und nicht die Last des Schreibens auf mich nehmen. Aber wenn die Provokation stark genug ist, dann meldet sich bei mir unwillkürlich Widerspruch.
    Die Debatte um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ab 1957, vor allem die Einlassungen der Befürworter waren so eine Provokation, die für mich Entgegnung verlangte. Eine Reihe meiner Freunde war daran beteiligt, darunter Martin Kriele. Mit Ernst-Wolfgang Böckenförde zusammen habe ich zwei Artikel geschrieben. Mit Heinrich Böll freundete ich mich in dieser Zeit näher an. Es waren besonders deutsche Moraltheologen, die meinen Widerspruch herausforderten.
    Merkwürdigerweise bin ich in meinem Leben immer wieder mit katholischen Moraltheologen aneinandergeraten. Im Mittelpunkt stand die einfache Frage: Gibt es, wie es die gesamte philosophische und theologische Tradition annimmt, Handlungen, die ihrer Natur nach böse sind, oder heiligt der Zweck, wenn er nur edel genug ist, jedes Mittel? Den Begriff »Wert« habe ich immer kritisch betrachtet. Man redet ständig von Werten, ja von »unseren« Werten, ohne genau zu wissen, was man damit meint – Sache einer Option oder etwas unserer »Wertung« Vorgegebenes. Carl Schmitts kleine Schrift »Die Tyrannei der Werte« (1967) setzte sich eindrucksvoll mit dem das Recht ruinierenden Wertbegriff auseinander.
    Ich selbst habe 2001 einen Aufsatz veröffentlicht – »Europa – Wertegemeinschaft oder Rechtsordnung«. Das »Dritte Reich« verstand sich als Wertegemeinschaft. Die kommunistischen Länder ebenfalls. Es ist auch bedenklich, Bürgern das Bekenntnis zu »unserer Werteordnung« abzuverlangen. Abverlangen kann und muss man ihnen den Gehorsam gegenüber unseren Gesetzen. Was »unsere Werte« sind, ist ja selbst umstritten, obwohl der Druck der political correctness immer bedrohlicher wird.
    Sie lehrten über fünf Jahre lang an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit?
    Erfreuliche. Diese Jahre waren für mich eine gute Schulung. Ich hatte es mit Studenten zu tun, die nicht im Hauptfach Philosophie studierten, sondern technische und naturwissenschaftliche Fächer. Ich musste mich also darauf einstellen, so zu lehren, dass auch diese Studenten verstanden, worum es ging. Ein heilsamer Zwang zur Verständlichkeit. Und wenn man mir nachsagt, verständlich zu schreiben, dann habe ich das wohl auch den damaligen Lehrbedingungen zu verdanken. Allerdings stellte sich – je länger desto mehr – das Bedürfnis nach Philosophiestudenten im Hauptfach ein, nach wirklichen Schülern.

    STUTTGART
    Ich bin kein Stuttgarter, aber die Zufälle des Lebens haben mich immer wieder nach Stuttgart verschlagen. Erst unmittelbar nach dem Studium, als Verlagslektor bei Kohlhammer. Ein aus dem Krieg heimgekehrter Kommilitone hatte mich dem Verlagsleiter empfohlen, der ein Kriegskamerad von ihm war und mir daraufhin die Stelle anbot. Das Angebot entsprach meinem Wunsch, nicht ständig an der Universität zu bleiben, sondern mich vor dem Wiedereintritt in die akademische Welt in der »wirklichen Welt« umzutun. Ich nahm also an. Als Student hatte ich meinen Lebensunterhalt durch journalistische Tätigkeit finanziert. Nun kam ich sogleich wieder für eine Weile ins

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