Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
Vom Netzwerk:
deshalb an den Rektor als Vorsitzenden des Studium Generale mit der Bitte, dies sofort zu ändern. Nach Einberufung der Kommission veranlasste der Rektor diese Änderung. Als ich dann später Bense bei einem Spaziergang traf, erklärte er mir ärgerlich, er sei nicht der Briefträger der Kommission. Er sei der Meinung, wenn hier jemand über den jungen Marx ein Seminar hielte, dann könne nur er das sein. Ich antwortete ihm in der Sprache, von der ich wusste, dass er nur diese versteht. Ich sagte, dass ich nicht daran dächte, mich in seine Gestaltung des Studium Generale einzumischen, vorausgesetzt allerdings, dass meine Tätigkeit in diesem Rahmennicht in Frage gestellt würde. Wenn meine Lehrveranstaltung aufgenommen würde, wollte ich mich um den Rest nicht kümmern. Die Lehrveranstaltung fand statt. Bense allerdings legte die Leitung des Studium Generale nieder, mit der daraufhin ich beauftragt wurde. Ich habe diese Aufgabe lange Zeit mit großem Engagement wahrgenommen.
    Allerdings war ich mit Bense darüber einig, dass er die Kunstgalerie des Studium Generale weiterhin leiten und betreuen müsse. Und so geschah es dann auch, wobei Bense mehrmals auch Vorschläge von mir für seine Ausstellungen aufgriff. Als ich dann später sondierte, ob die Technische Hochschule bereit sei, mich auf den seit meinem Weggang nach Heidelberg immer noch vakanten Lehrstuhl zurückzuberufen, war es zunächst Bense, an den ich mich wandte und der sich dann vehement dafür einsetzte, mich wieder nach Stuttgart zu berufen.
    Natürlich waren Bense und ich Antipoden. Bense verstand Geist als Anti-Natur, ähnlich wie Gottfried Benn zu seiner Zeit. Seine Vision war die einer Computerwelt, die Digitalisierung aller Formen der Erscheinung sollte aus der Ästhetik die semantische Dimension eliminieren. Sein himmlisches Jerusalem war Brasilia. Dass sich auch in Brasilia inzwischen wieder die Favela-Welt etabliert hat, musste er nicht mehr mit ansehen. Als ich nach Stuttgart kam, war sein Ansehen auf dem Höhepunkt. Mich bewegte von früh an die Frage nach der Natur, dem Natürlichen und der natürlichen Teleologie. Ich kritisierte in der Nacht der ersten Mondlandung im Fernsehen dieses Unternehmen angesichts der Nöte in der Welt, denen man mit den Mitteln für die Mondlandung hätte beikommen können.
    Mich bewegte das Ende einer 300-jährigen Ideologie des unaufhaltsamen Fortschritts im Augenblick der ersten Ölkrise Anfang der siebziger Jahre. So hörte es auf, ganz unschick zusein, mir zuzuhören. Als »Ökophilosophen« hat man mich apostrophiert. Aber auch der Begriff »Umwelt«, der, von Uexküll inspiriert, damals in Mode kam, hat mir nicht unbedingt gefallen, weil er mir auch noch anthropozentrisch zu sein schien. Ich verteidigte gegen die Anthropozentrik, die alles auf den Menschen bezieht, den Anthropomorphismus, der alles Lebendige als dem Menschen ähnlich betrachtet, also beispielsweise Tieren Schmerzfähigkeit zuerkennt. Kurz, der Zeitgeist begann für eine Weile mir entgegenzukommen.
    Das alles sind unphilosophische Betrachtungsweisen der Philosophie. Aber insofern Philosophie zum Geistesleben einer Zivilisation gehört, ist eine solche für die Öffentlichkeit bestimmte Betrachtung unerlässlich. Philosophie hat ihre exoterische Außenseite nicht vollständig in der Hand, muss sich aber von ihr Rechenschaft ablegen, um ihre Legitimität zu behalten.
    Die Tatsache, dass philosophische Positionen und Bewegungen als »-ismen« präsentiert werden, ist allerdings immer ein Signal für deren Scheitern. Als Bürger müssen wir dann und wann Partei ergreifen. In Athen wurde jemand zum Tode verurteilt, wenn er in einem Bürgerkrieg nicht Partei ergriffen hatte.
    Der Philosoph qua Philosoph aber soll nicht Partei ergreifen, sondern er soll verstehen, worum es sich bei den Gegensätzen philosophischer Positionen handelt. Der Philosoph will nicht in einem Konflikt Partei sein, sondern er will den Konflikt verstehen. Aufgrund der unüberwindlichen Endlichkeit seiner Perspektive gelingt ihm das nie abschließend. Insofern übernimmt sich die Philosophie ständig, und wenn sie es nicht tut, hört sie auf, Philosophie zu sein. »Nicht ungedacht lassen, was gegen deinen Gedanken gedacht werden kann« – dieses Wort Nietzsches muss für jeden Philosophen als Maxime gelten.
    In diesem Sinn war Bense einfach kein Philosoph, denn Widerspruch gegen seinen weltanschaulichen Szientismus nahm er nicht zur Kenntnis. Seine öffentliche Wirksamkeit

Weitere Kostenlose Bücher