Über jeden Verdacht erhaben
zeigen.
Als die drei Richter sich wieder zurechtsetzten, waren sie sichtlich über manches uneinig. Jetzt war offenbar der Vizeadmiral an der Reihe, mit den Fragen zu beginnen.
»Genosse General!« begann er ruhig und mit einem fast demonstrativ respektvollen Tonfall. »Wie Sie vielleicht verstehen, fällt es dem Gericht nicht ganz leicht, zu Ihren politischen und strategischen Analysen objektiv Stellung zu nehmen. Lassen Sie mich deshalb wie folgt fragen: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, waren Sie sich Ihrer Analyse selbst so sicher, daß Sie bereit waren, dafür Ihr Leben einzusetzen, um eine Entwicklung zu verhindern, die Sie als Katastrophe für das Vaterland beurteilten. Habe ich das richtig verstanden?«
»Ja, Genosse Admiral, vollkommen richtig«, erwiderte Jurij Tschiwartschew gedämpft.
»Gut! Und Sie haben keinen Anlaß gesehen, diese Auffassung zu korrigieren, Genosse Admiral? Können Sie mir ehrlich sagen, daß Ihnen nachträglich nichts zur Kenntnis gelangt ist, was Sie dazu hätte bringen können, die Situation anders zu beurteilen?«
»Ganz im Gegenteil, Genosse Admiral«, erwiderte Jurij Tschiwartschew ruhig. Er hatte intuitiv erfaßt, daß der Vizeadmiral auf seiner Seite stand. »Inzwischen kennen wir ja das Ergebnis. Vier unserer Leute sind in London verschwunden, und zwar ohne jedes Aufsehen oder politische Aufregung. Ihr Gruppenchef, Oberstleutnant Tatjana Simonescu, ist unter Umständen gestorben, die man in Großbritannien mit sexuellen Ausschweifungen in Verbindung bringt, die für die britische Oberschicht typisch sind. Nichts ist herausgekommen. Die britische Regierung war gerettet. Unsere Verbindungen zur westlichen Welt waren gerettet. Die unerhört gefährliche, für uns selbst gefährliche Operation wurde abgebrochen, ohne daß uns ein Schaden entstanden ist.«
»Wenn man von den Landsleuten absieht, die sich in Ausübung eines gefährlichen Auftrags befanden und die Sie mit voller Absicht in den Tod schickten, meinen Sie, Genosse General?« wandte der Vizeadmiral mit hörbarer Ironie ein. Jurij Tschiwartschew faßte sie als einen Trick auf, sich bei dem mürrischen Vorsitzenden einzuschmeicheln, aber nicht als Attacke gegen ihn selbst.
»Vollkommen richtig, Genosse Admiral«, erwiderte Jurij Tschiwartschew ruhig. »Verluste auf unserer Seite sind immer bedauerlich. Doch jetzt beschränken sich diese auf fünf Mann. Wir sind Offiziere. Es gehört zu unseren Aufgaben, eventuelle Verluste in Kauf zu nehmen, das gehört zu unserer Arbeit. Also. Unsere Verluste betrugen fünf Mann. Im Vergleich mit der Katastrophe, die unserem ganzen Land drohte, war das ein sehr geringer Preis.«
»Und Sie halten sich tatsächlich für befugt, solche Beurteilungen abzugeben!« sagte der Vizeadmiral ein wenig theatralisch. Jurij Tschiwartschew gewann den Eindruck, daß zwischen den drei Richtern ein Spiel ablief, das er noch nicht recht durchschauen konnte. Die Äußerung, die nach außen hin aggressiv wirkte, war schließlich so etwas wie ein Eigentor.
»Vollkommen richtig, Genosse Admiral«, erwiderte Jurij Tschiwartschew. »Für uns Angehörige der Führung der Raswedka gehörte es zu unseren Pflichten, solche Beurteilungen vorzunehmen.«
»Sagen Sie mir, Genosse General«, fuhr der Vizeadmiral nachdenklich fort, obwohl diese Nachdenklichkeit eher gespielt zu sein schien. »Wenn dieser berüchtigte westliche Spion Hamilton Sie nicht verraten hätte, hätten Sie Ihre Arbeit in der Raswedka dann fortgesetzt, als ob nichts geschehen wäre?«
»Ich glaube keinen Augenblick, daß mein geehrter Kollege, Admiral Hamilton, mich verraten hat«, entgegnete Jurij Tschiwartschew scharf und konzentrierte sich von neuem. »Aber wenn wir nicht hier säßen… nun ja, Genosse Admiral, dann hätte ich meine Arbeit wie gewohnt fortgeführt, erleichtert, ein schweres Problem auf bestmögliche Weise gelöst zu haben.«
Der Vizeadmiral machte sich eine Zeitlang schweigend Notizen, bis sein Vorgesetzter zu murren begann. Da sah er plötzlich wieder hoch und wandte sich an Jurij Tschiwartschew.
»Genosse General«, begann er, »wir wollen der Einfachheit halber davon ausgehen, daß alle Beurteilungen richtig sind, die Sie hier geäußert haben. Es war tatsächlich eine unerhört gefährliche und abenteuerliche Operation, die da in London ablief. Sie hätte also tatsächlich die Sicherheit des Vaterlandes aufs Spiel gesetzt und so weiter. Sagen wir also, Sie hätten recht, alle Beurteilungen seien zutreffend.
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