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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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die den Eindruck erweckte, daß sie mit ihren Fragen jetzt schon fast im Heimathafen war.
    »Ja, richtig«, erwiderte Carl in einem fügsamen Tonfall. »Ich habe meinem russischen Kollegen und Freund in einem sehr offenherzigen Gespräch dargelegt, was da ablief.«
    »Hatten Sie ein Recht dazu? War das nicht Verrat?« fragte Larissa Nikolajewna mit erhobener Stimme, um das Gewicht der Frage zu betonen.
    »Als operativer Chef hatte ich natürlich das Recht, alles zu tun, was ich für die Lösung der Aufgabe als nützlich ansah«, erwiderte Carl gemessen, fast als wollte er sich von dem distanzieren, was jetzt kam. »Kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, würde dabei an Verrat denken. Sie verstehen, wenn Jurij Tschiwartschew die russische Gruppe damals aus London hätte zurückziehen können, hätten beide Parteien ein Ergebnis erreicht. Es wäre an und für sich eine ausgezeichnete Lösung gewesen und normalerweise eine recht logische Folge dessen, daß ich in voller Übereinstimmung mit meinen Anweisungen die russische Seite gewarnt hatte.«
    »Wenn es Generalleutnant Jurij Tschiwartschew demnach gelungen wäre, die laufende russische Operation abzubrechen, wäre nichts weiter passiert? Habe ich das richtig verstanden, Herr Admiral?«
    »Verzeihung, Herr Vorsitzender!« unterbrach ein Major, der Larissa Nikolajewna genau gegenübersaß und bisher kein Wort geäußert hatte. »Als Staatsanwalt muß ich jedoch gegen diese Frage protestieren. Die Anwältin bittet den Zeugen zu spekulieren und auf Dinge zu antworten, die der Zeuge billigerweise nicht wissen kann.«
    »Ich spekuliere nicht, Herr Major «, erwiderte Carl blitzschnell und arrogant. »Ich war damals Leiter des Nachrichtendienstes und wußte , was in London geschah.«
    Das war vielleicht ein allzu kühner Angriff, doch er war Carl so schnell und spontan eingefallen, daß er keine Zeit mehr hatte nachzudenken, nachdem schon alles gesagt war. Das schloß seine herablassende Betonung des Herr Major ein. Doch nach einer Sekunde verblüfften Schweigens bei den drei Richtern konnte er feststellen, daß er gewonnen hatte.
    »Na wenn das so ist«, brummte der Vorsitzende des Gerichts mit einem so breiten Lächeln, daß er dabei eine Reihe schadhafter Zähne entblößte. »Wenn Sie es wirklich wissen , Genosse Admiral, werden wir die Frage wohl zulassen müssen. Bitte sehr, Frau Anwältin, wenn Sie die Frage wiederholen wollen?«
    »Die Frage lautete…«, begann Larissa Nikolajewna und machte dann plötzlich ein Gesicht, als wüßte sie nicht mehr, wo sie sich befand. Dann fand sie den Faden wieder. »Ja! Die Frage lautete also wie folgt: Wenn es Generalleutnant Tschiwartschew gelungen wäre, die russische Operation abzubrechen, wäre nichts weiter passiert?«
    »Nein, das ist richtig«, erwiderte Carl.
    »Und das wissen Sie?«
    »Ja, selbstverständlich. Wir waren jedoch gezwungen, das Problem auf eine andere Weise zu lösen, das stimmt schon. Aber danach ist nichts mehr geschehen. Mit anderen Worten: Von jetzt an wissen Sie es ja auch, sogar der Major hier weiß es.«
    »Ich möchte Ihnen vorschlagen, sich über Anwesende nicht lustig zu machen!« sagte Larissa Nikolajewna streng tadelnd.
    »Sie haben recht. Ich bitte um Entschuldigung«, antwortete Carl steif und machte wieder ein ernstes Gesicht.
    »Ausgezeichnet, Herr Admiral«, fuhr Larissa Nikolajewna fort. Sie studierte kurz ihre Notizen, bevor sie weitersprach.
    »Nun, wie reagierte General Tschiwartschew, als Sie ihm erzählten, die westliche Gegen-Raswedka sei uns Russen auf der Spur?«
    »Trotz des großen Vertrauens, das wir zueinander haben, wollte er zunächst nicht glauben, daß es überhaupt möglich sein konnte«, erwiderte Carl traurig. »Er war der Ansicht, daß es eine allzu idiotische Operation und deshalb unmöglich sei. Es müsse sich um ein Mißverständnis handeln. Der Ansicht war ich auch. Die Situation war für Rußland ja außerordentlich gefährlich.«
    »Inwiefern?« fragte Larissa Nikolajewna mit einem ruhigen Tonfall, der bei Carl den Eindruck erweckte, als sei sie jetzt dabei, ihren Sieg zu sichern, ohne Gefahr zu laufen, unterbrochen oder behindert zu werden.
    »Ich glaube, das versteht sich von selbst«, begann Carl langsam, als erstaunte es ihn fast, daß die Frage hatte gestellt werden müssen. »Wenn diese Geschichte herausgekommen wäre, wäre nicht nur sofort die britische Regierung gestürzt, sondern das Ganze hätte mit etwas geendet, was man sich wohl als einen

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