Über jeden Verdacht erhaben
allgemeinen Handelskrieg des Westens mit Rußland vorstellen muß. Die Konsequenzen für die russische Seite wären im Fall einer Entlarvung katastrophal gewesen.«
»Sie zögern nicht bei dieser Beurteilung, Herr Admiral?« fragte Larissa Nikolajewna ruhig und selbstsicher. »Haben Sie die Kompetenz, so etwas zu beurteilen?«
»Meine Kompetenz betrifft gerade solche Dinge. Ich habe eine zentrale Funktion bei der westlichen Raswedka«, erwiderte Carl gemessen. Dabei machte er sich gerade und faßte sich schnell ans Kinn, um seine Admiralssterne aufblitzen zu lassen.
»Nun, und was passierte dann?« fragte Larissa Nikolajewna weiter.
»Zunächst wollte Genosse General Tschiwartschew, wie gesagt, überhaupt nicht glauben, daß ich recht haben konnte, als ich ihm diese für Rußland so katastrophalen Nachrichten überbrachte«, erwiderte Carl. Er wirkte, als hätte er einige Sekunden nachgedacht. »Wir trafen uns dann erneut. Inzwischen hatte der Genosse General Tschiwartschew zu seiner Bestürzung und Trauer herausgefunden, daß meine Angaben korrekt waren.«
Carl machte erneut eine Kunstpause, um seine Worte einsikkern zu lassen. Außerdem wollte er Larissa Nikolajewna die Möglichkeit geben, einen leichten Ball zurückzuspielen.
»Was geschah dann?« fragte sie.
»Wir haben die komplizierte und schwierige Lage eingehend besprochen«, erwiderte Carl, der weiterhin den Nachdenklichen spielte. »Es endete damit, daß mir Genosse General Tschiwartschew die Namen der in London tätigen russischen Operateure nannte.«
»Und wozu führte das?« fragte Larissa Nikolajewna unerschrocken weiter.
»Das führte dazu, daß die noch laufende russische Operation geräuschlos und zügig beendet werden konnte«, gab Carl schnell zurück.
Plötzlich war die Luft im Gerichtssaal wie mit Elektrizität geladen. Das Schweigen wurde sehr schwer. Larissa Nikolajewna zögerte, ob sie fortfahren und die Frage stellen sollte, welche die meisten jetzt wohl hören wollten und die auch Carl erwartete. Doch nach einiger Qual entschloß sie sich, sich von dem glühenden Stück Kohle zu trennen.
»Sagen Sie, Herr Admiral…«, begann sie zögernd, bevor sie sich zu der vorsichtigen Lösung des Problems entschloß. »Sind der britischen und der schwedischen Regierung sämtliche Details dieser Geschichte bekannt?«
»Natürlich nicht!« schnaubte Carl fast bei seiner schnellen Antwort.
» Natürlich nicht, sagen Sie, Herr Admiral?« hakte Larissa Nikolajewna mit gespieltem Erstaunen nach.
»Nein, das versteht sich doch!« bestätigte Carl und erlaubte sich eine kleine Geste, um die Selbstverständlichkeit zu illustrieren. Er verstand sehr wohl, worauf sie abzielte. »Angesichts der Kenntnis, die ich von Ihrem System habe, wage ich zu behaupten, daß wir uns in dieser Hinsicht sehr ähnlich sind. Eine Regierung kann und darf aus einleuchtenden politischen Gründen nicht alles wissen, womit sich die Geheimdienste befassen. Das wäre ja noch schöner!«
»Verzeihen Sie einer unwissenden Rechtsanwältin«, begann Larissa Nikolajewna mit einem untertänigen Tonfall, der ganz sicher nicht echt war. »Aber warum? Sind die von Ihnen soeben beschriebenen Grundsätze jeder Form sogenannter Demokratie nicht diametral entgegengesetzt?«
»Jeder Form, nun, ich weiß nicht…«, begann Carl zögernd.
»Ich bin Offizier und kein politischer Philosoph. Wenn diese Geschichte aber entlarvt worden wäre, was bedrohlich kurz bevorstand, hätte der Präsident der Föderativen Russischen Republik mit Fug und Recht behaupten können, daß er nicht wisse, was da vorgegangen sei. Davon bin ich überzeugt. Insofern hätte man die Katastrophe möglicherweise begrenzen können. Hätte man hingegen behaupten können, Ihr Präsident sei tatsächlich mit den Ereignissen in London einverstanden gewesen, wäre die Katastrophe unvermeidlich gewesen. Ich setze voraus, daß es in allen Systemen so funktioniert.«
»Folglich haben Sie Verständnis dafür, daß mein Klient sich mit seinem Kummer nicht an den Präsidenten des Landes wandte«, folgerte Larissa Nikolajewna entschlossen; Carl hatte das Gefühl, daß jetzt der Punkt erreicht war: was zu beweisen war .
»Dafür habe ich selbstverständlich das allergrößte Verständnis«, erwiderte er langsam und mit Würde. »Es wäre nicht nur kein Dienstvergehen gewesen, sondern etwas noch Schlimmeres, eine reine Dummheit.«
»Danke, Herr Vorsitzender!« rief Larissa Nikolajewna in einem triumphierenden Tonfall aus, auf
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