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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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demonstrativ ab, ging ein paar Schritte weiter und sagte, ohne sich umzudrehen, sie werde ein Stück weiter weg warten. Carl nahm an, daß sie nichts hören und nicht hereingezogen werden wollte.
    »Nun, junger Admiral?« beharrte der Weißhaarige und bemühte sich mit sichtlichem Schmerz, sich sehr gerade zu machen, um möglichst hochgewachsen zu erscheinen.
    »Lassen Sie es mich so sagen, mein hochgeschätzter alter Freund«, begann Carl vorsichtig. »Jurij Gennadjewitsch hat ein paar Dinge getan, die auf zweierlei Weise enden können. Zum einen kann man Held der Sowjetunion werden, heute heißt es, man bekommt das Sankt-Georgs-Kreuz…«
    »Sankt-Georgs-Kreuz!« schnaubte der Oberst. »Na ja, das hat Jurij ja schon.«
    »Ja«, bestätigte Carl amüsiert. »Und ich auch, wie Sie vielleicht sehen.«
    »Tatsächlich!« sagte der alte Mann und riß plötzlich die Augen auf, als er Carls Uniformbrust musterte. »Aha, so sieht das Ding aus, diese zaristische Erfindung. Nein, so habe ich das natürlich nicht gemeint…«
    »Nur mit der Ruhe jetzt, mein lieber Oberst«, sagte Carl vorsichtig. »Was ich sagen wollte, ist folgendes. Und es ist das einzige, was ich sagen kann. Jurij Gennadjewitsch hat bestimmte Operationen durchgeführt, für die er entweder noch ein Sankt-Georgs-Kreuz erhält. Oder aber zum Tode verurteilt wird. Das ist die Wahrheit. Wie es auch ausgeht, seien Sie versichert, lieber Oberst, daß er eigentlich das Sankt-Georgs-Kreuz bekommen müßte.«
    »Nun, dann bekommt er es wohl auch…«, sagte der Alte hoffnungsvoll. »Ich meine, das ist doch ziemlich selbstverständlich, oder? Er ist mit… ja, dem Besten dekoriert, was man heutzutage bekommen kann. Sein Vater ist Held der Sowjetunion. Und der Zeuge der Verteidigung ist… jetzt sehe ich, daß Sie auch noch den Roten Stern haben. Dann kann es doch um Himmels willen nur auf eine Weise enden? Ich begreife nicht, wie es überhaupt zu einem Prozeß kommen konnte. Diese verfluchten Bürokraten.«
    »Wir leben in einer Zeit, in der die verfluchten kleinen Bürokraten immer mehr Befugnisse erhalten«, sagte Carl vorsichtig.
    »Ich muß Sie jetzt verlassen, lieber Oberst, bevor ich zuviel sage. Dann könnten die Bürokraten auch darüber meckern. Ich bitte Sie nur, nicht zu vergessen, was ich gesagt habe. Jurij Gennadjewitsch ist ein russischer Held, was immer die Bürokraten da im Gerichtssaal meinen.«
    Carl machte den Versuch, sich zu entziehen, doch der alte Oberst packte ihn am Jackenärmel und hielt ihn fest.
    »Der Chef von denen da drinnen, Boris Michailowitsch, hat auf dem Weg nach Berlin einmal unter mir bei den Ingenieurtruppen gedient. Das haben Sie nicht gewußt, was?«
    »Nein, das habe ich natürlich nicht gewußt«, erwiderte Carl knapp. »Ich möchte Ihnen jedoch entschieden von jedem Versuch abraten, mein lieber Oberst, aus dieser einfachen historischen Tatsache Kapital zu schlagen. Und, wenn Sie entschuldigen, jetzt können wir wirklich nicht mehr länger miteinander sprechen. Das wäre nicht gut!«
    Carl machte sich vorsichtig frei, setzte die Uniformmütze auf, nahm Haltung an und salutierte demonstrativ. Dann drehte er sich schnell um und ging mit langen Schritten zu der wartenden Larissa Nikolajewna. Im Vorbeigehen schnappte er sich seinen Uniformmantel und hängte ihn sich lose um die Schultern.
    »Ich will nicht wissen, was Sie miteinander gesprochen haben!« sagte Larissa Nikolajewna, als sie auf der Straße waren. Sie stiegen in Carls wartenden Wagen ein, und er bat den Fahrer, sie zum Metropol zu fahren.
    »Das kann ich verstehen und respektieren«, sagte Carl nach kurzem Überlegen. »Ich glaube aber dennoch, berichten zu können, das Wichtigste gesagt zu haben. Er dürfte nichts anderes über seinen Sohn empfinden als Stolz. Ich bin allerdings nicht auf Details eingegangen.«
    »Dann ist es gut«, seufzte Larissa Nikolajewna erleichtert. Sie schlug spontan ihre muskulösen Beine übereinander, so daß es in den Nähten von Yves Saint-Laurent krachte. Carl lächelte. Sein Lächeln war spontan und nicht gespielt. Irgendwie war ihr Mangel an Vorsicht mit den Sachen von Yves Saint-Laurent ebenso komisch wie sympathisch.
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander, während sie ihre Gedanken ordnete. Dann konzentrierte sie sich und gab ihm für die Rolle, die er soeben gespielt hatte, eine glänzende Rezension. So drückte sie es zwar nicht aus, aber so faßte er es auf.
    Sie beschrieb die Lage in Sportbegriffen. Im Augenblick

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