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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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russische Regierung wünscht einen solchen Prozeß nämlich nicht, die englische übrigens auch nicht. Deshalb darf ich höflich darum bitten, daß die Herren künftig auf solche kindischen Drohungen verzichten. Nun! Worum ging es bei der Frage eigentlich ?«
    Er erkannte, daß er einen Treffer gelandet hatte. Der Schuß ins Blaue hatte gesessen. Als die beiden miteinander flüsterten – sie waren sichtlich uneins –, holte seine Analyse das ein, was er gesagt hatte, und da sah er, daß er vermutlich recht gehabt hatte. Er hätte vielleicht auf die Beleidigungen verzichten sollen. Er konnte nicht wissen, wie die Militärrichter den Staatsanwalt und dessen Vorturner-General sahen.
    »Die Frage lautete ganz einfach so, Genosse Admiral«, sagte der Staatsanwalt schließlich. »Sind Sie damit zufrieden, unsere Leute getötet zu haben?«
    »Ja!« erwiderte Carl so schnell, daß er dem Staatsanwalt fast das Wort abschnitt. »Wünschen Sie, daß ich das begründe?«
    »Ja, gern«, erwiderte der Staatsanwalt erstaunt.
    »Die Offiziere Ihres Nachrichtendienstes und meine Kollegen«, fuhr Carl mit gesenkter Stimme und ohne jede Aggressivität fort, »wußten genau, welche Risiken sie eingingen. Ihre Leute hatten hoch gepokert und verloren das Spiel. Das gehört zu unserem Job draußen auf dem Feld. Wichtiger aber ist, daß es uns gelang, eine internationale Großkrise zu vermeiden, eine Krise, die nicht nur zum Sturz der britischen Regierung, sondern auch zu einer wirtschaftlichen und politischen Katastrophe für Rußland geführt hätte. Wenn man das so sieht, kann man das Andenken der russischen Kollegen wirklich ehren. Sie sind nicht vergebens gestorben, sondern für ihr Land.«
    »Danke, besten Dank«, sagte der Staatsanwalt nach seiner obligatorischen geflüsterten Instruktion. »Das nenne ich eine hübsche politische Erklärung, Genosse Admiral. Ich würde Ihren politischen Darlegungen jedoch konkrete Antworten vorziehen. Lassen Sie mich deshalb so fragen: Wie ist es möglich, daß es Offiziere des schwedischen Nachrichtendienstes waren und keine Briten, die das ausführten, was man als nasse Aufträge bezeichnet, wenn ich nicht irre? Ist der Ausdruck übrigens korrekt?«
    »Ohne Zweifel«, erwiderte Carl mit leicht gehobenen Augenbrauen. »Das ist unleugbar ein russischer Begriff. Was den interessanteren Teil Ihrer Frage angeht, hat das mit Gesetzen und Juristerei zu tun. Es ist immerhin nicht ganz ohne, jemanden auf dem eigenen Territorium zu ermorden, falls Sie mir meine sehr direkte Sprache nachsehen wollen. Der britische Nachrichtendienst darf nach britischem Recht praktisch machen, was er will, wenn es auf fremdem Territorium geschieht und, ich zitiere, ›man davon ausgehen kann, daß es im Interesse Ihrer Majestät geschieht‹, Ende des Zitats. Auf eigenem Territorium haben die Briten solche Befugnis jedoch nicht. Wir Schweden konnten dagegen unter einer Art diplomatischer Immunität operieren. Es war also ein praktisches Arrangement.«
    »Sie dienen also dem überholten britischen Imperialismus, ohne rot zu werden? Sie sind also ein Söldner, Genosse General?« fragte der Staatsanwalt auf Diktat des Generals, der ihm so laut ins Ohr flüsterte, daß es im halben Gerichtssaal zu hören war.
    »Na, na, Genosse General«, begann Carl und machte eine Pause, um die komische Pointe zu genießen, daß er sich jetzt an den Mann wenden konnte, der die Frage tatsächlich gestellt hatte. »Waren Sie es nicht, die jede politische Demagogie fernhalten wollen? Im übrigen betrachte ich das nicht als eine Frage, sondern nur als Verirrung. Sie hatten nur die Absicht, mich zu beleidigen. Ich kann meinen Standpunkt nur wiederholen. Es ging hier darum, einen internationalen Großkonflikt zu vermeiden, das ist alles. Das ist uns gelungen. Und in diesem Zusammenhang ist es gleichgültig, ob ich nun beim britischen, schwedischen oder auch russischen Nachrichtendienst tätig wäre.«
    Carl war nicht mit sich zufrieden. Er hatte nicht das Gefühl, die Situation in der Hand zu haben, da die Argumentation des Staatsanwalts sentimentale Züge enthielt, die ihm selbst allzu fremd waren. Der Staatsanwalt und sein Vorturner hatten offensichtlich aber auch nicht das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, da sie sich jetzt ganz offen stritten. Es machte einen komischen Eindruck, weil sie sich flüsternd streiten mußten. Ihr Flüstern neigte jedoch dazu, immer lauter und lauter zu werden, während alle anderen im Gerichtssaal immer mehr

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