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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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dem Fußboden gingen.
    »Richtig, Genosse Admiral!« erwiderte einer der adretten jungen Leute. »Heute gehören wir zur besonderen Wachabteilung des Innenministeriums.«
    »Hab’ ich mir gedacht«, sagte Carl mit einem Kopfnicken.
    Sie brachten ihn zum Chef der Kanzlei, der schon mit dem Chef der Wache gesprochen hatte. Der Kanzleichef nahm ihn auf halbem Weg zwischen seinem Schreibtisch und der Tür in Empfang, durch die Carl mit seinen Begleitern gekommen war.
    »Was tun Sie denn hier, Genosse Admiral? Sie sind nicht angemeldet!« begrüßte ihn der Kanzleichef schroff.
    »Guten Tag, Herr Kanzleichef, angenehm, Sie wiederzusehen«, sagte Carl unbeschwert, gab dem Mann schnell die Hand und setzte sich anschließend. Er rückte seine Bügelfalten zurecht, und dann schien ihm etwas einzufallen.
    »Ich glaube, Sie können unsere jungen Begleiter vom Eingang entlassen, damit sie wieder an die Arbeit gehen können. Wann kann Boris Nikolajewitsch mich empfangen?« sagte er und streckte die Beine aus.
    »Warten Sie draußen!« brüllte der Kanzleichef den beiden jungen Wachoffizieren zu, die sofort Haltung annahmen und hinausgingen.
    »Genosse Admiral, was sind das für Manieren?« sagte der Kanzleichef, als sie allein waren. »Unser Präsident hat wirklich keine Zeit für spontane Besuche dieser Art. Bei allem Respekt vor… ja, Sie wissen schon, muß ich Sie bitten, wieder zu gehen. Sie dürfen nicht einfach hierherkommen und sich aufdrängen.«
    »Sie wissen aber doch, wer ich bin?« fragte Carl und hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Ja, natürlich, Genosse Admiral!« zischte der Kanzleichef irritiert. Er begann, langsam im Raum auf und ab zu gehen. »Sie sind in Moskau unleugbar eine sehr bekannte Person, Herr Admiral, aber das gehört nicht hierher. Sie können nicht einfach hier hereinplatzen und…«
    »Mein guter Freund Boris Nikolajewitsch hat mir persönlich zugesagt, daß ich kommen kann, wann immer ich will«, unterbrach ihn Carl ruhig. »Und ich kann Ihnen versichern, Herr Kanzleichef, daß es mir nicht mal im Traum einfallen würde, diese Gunst auszunutzen, wenn es keine Frage von Leben und Tod wäre, eine sehr wichtige Angelegenheit.«
    »Wenn das so ist«, sagte der Kanzleichef und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Er schien jedoch kaum beruhigt zu sein. »Der Präsident ist im Augenblick sehr beschäftigt«, fuhr er fort und breitete die Hände aus. »Sie können ihn heute unmöglich treffen, es geht ganz einfach nicht.«
    »Wie traurig, das zu hören«, sagte Carl und sah auf die Armbanduhr. »Ich meine, im Hinblick darauf, daß ich seine persönliche Zusage habe. Finden Sie das nicht auch traurig, Herr Kanzleichef?«
    In diesem Moment war hinter den großen weißen Türen mit den goldenen Klinken Gesang zu hören und etwas, was an Gläserklirren erinnerte. Carl blickte den Kanzleichef fragend an. Dieser schlug verlegen die Augen nieder.
    »Ich muß Sie wirklich eindringlich bitten zu gehen, Genosse Admiral«, murmelte er. »Ich bitte Sie. Ich möchte äußerst ungern unhöflich sein, aber wenn Sie nicht gehen, muß ich das Personal bitten, Sie hinauszuwerfen. Das möchte ich ebensowenig wie Sie.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Carl abrupt, erhob sich und machte eine Bewegung, als wollte er gehen.
    Dann ging er schnell an dem protestierenden Kanzleichef vorbei, riß die weiße Doppeltür auf und betrat das Nebenzimmer.
    Das erste, was er in dem weitläufigen Raum sah, war Boris Jelzin. Der russische Präsident saß in langen Unterhosen auf einem großen, beigefarbenen Ledersofa und warf gerade den Kopf in den Nacken, um einen Deziliter Wodka zu schlucken.
    Auf zwei Sesseln saßen zwei Männer, die sich die Jacketts ausgezogen hatten. Sie hatten Hosenträger und Schulterholster und sahen aus wie aus einem Gangsterfilm. Carl machte schnell die Tür hinter sich zu, mitten vor der Nase des verzweifelten Kanzleichefs.
    Boris Jelzin hatte sich verschluckt und hustete heftig, zeigte jedoch fröhlich auf Carl und versuchte, etwas zu sagen, was durch einen Hustenanfall erstickt wurde. Die beiden bewaffneten Männer starrten Carl nur an.
    »Guten Tag, mein lieber Boris Nikolajewitsch. Es freut mich, dich in so guter Form zu sehen!« rief Carl und machte eine angedeutete Ehrenbezeigung.
    »Hol mich der Teufel!« brüllte der Präsident heiser bei den Versuchen, seine Hustenattacke zu beenden. »Wenn das nicht unser alter Lieblingsfeind ist! Meine Herren, darf ich Ihnen Carl vorstellen. Und du,

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