Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
er zum Hotel zurückfahren mußte, um von dort aus anzurufen. Erschießen würde man ihn jedenfalls nicht.
    Der Fahrer war genötigt, aufgrund der Bauarbeiten auf der Seite gegenüber den Hotels Moskwa und National einen langen Umweg um den Roten Platz zu fahren. Dann schlängelten sie sich von hinten an der Basiliuskathedrale vorbei zu dem großen Portal mit der roten Verkehrsampel. Dort hielten zwei Wachtposten den Wagen an und gingen zur hinteren Tür, der Seitenscheibe, die Carl heruntergelassen hatte.
    »Guten Tag, junger Leutnant! Ich bin Admiral Hamilton aus Schweden und fahre zu einem Treffen mit meinem alten Freund Boris Nikolajewitsch«, grüßte er freundlich.
    »Ich bitte sehr um Entschuldigung, Genosse Admiral, aber davon ist uns nichts bekannt«, erwiderte der befehlshabende Wachtposten mit einer höflichen Ehrenbezeigung.
    »Das war auch gar nicht beabsichtigt, junger Kollege«, sagte Carl mit einem vielsagenden Zwinkern. »Hinten in der Zentralwache dürften sie jedenfalls Bescheid wissen. Seien Sie doch so nett und rufen dort an und sagen Bescheid, daß wir unterwegs sind?«
    Carl lehnte sich zurück und salutierte, als wäre die Sache damit erledigt. Dann gab er seinem Fahrer ein Zeichen, loszufahren. Es funktionierte. Der Wagen fuhr weiter über einen von einer Mauer umgebenen Hof, bis Carl seinen Fahrer anweisen konnte, anzuhalten. Er ließ den Uniformmantel im Wagen und betrat den perfekt geharkten und gesäuberten Hof. Er ging mit ruhigen, selbstbewußten Schritten das kurze Stück zur Zentralwache, riß die schwere Bronzetür auf und trat ein.
    Es sah so aus, wie er es in Erinnerung hatte. Er war in einer Schleuse vor Stahl und Panzerglas gelandet, und hinter dem Panzerglas saßen ein Major und zwei Hauptleute. Der Major telefonierte gerade. Wahrscheinlich war es der Wachtposten draußen beim Hauptportal, der gerade anrief.
    »Guten Tag, meine Herren!« grüßte Carl barsch, aber freundlich ins Mikrofon, das ein Stück aus der undurchdringlichen Wand aus Panzerglas hervorragte. »Admiral Hamilton aus Schweden. Möchte zu Boris Nikolajewitsch!«
    Er trat einen Schritt auf die Tür in der Panzerglaswand zu, als erwartete er, daß die Männer sie sofort aufmachen würden, was sie natürlich nicht taten.
    Carl hob fragend die Augenbrauen und sah den Major an, der auf der anderen Seite gerade den Hörer hinlegte.
    »Verzeihung, Genosse Admiral, aber ich muß Sie zunächst bitten, mir einen Ausweis zu zeigen«, sagte der Major unsicher.
    »Natürlich. Wir sind heute ein bißchen förmlich, was?« sagte Carl amüsiert. Er steckte die Hand in seine linke Innentasche und wühlte unnötig lange nach seinem Paß, damit der Blick des Majors auf dem landete, was an der Uniformbrust zu sehen war, nämlich dem Großkreuz des Sankt-Georgs-Ordens.
    »Danke, Genosse Admiral«, sagte der Major plötzlich. »Es ist nicht nötig. Ich erkenne Sie. Ich hatte damals hier Wache, als Sie beim letzten Mal zu Besuch waren.«
    Er nickte freundlich und respektvoll und sah dabei auf Carls Uniformbrust.
    »Ja, das war eine angenehme Veranstaltung«, sagte Carl.
    »Aber diesmal ist mein Besuch eher informeller, sagen wir privater Natur.«
    »Sie müssen mich entschuldigen, Herr Admiral«, sagte der Chef der Wache verlegen, »aber ich habe hier keine Voranmeldung Ihres Besuchs.«
    »Das liegt natürlich daran, daß es eher ein privater Besuch bei meinem guten Freund Boris Nikolajewitsch ist als eine offizielle Angelegenheit«, sagte Carl mit milder Nachsicht. »Ich schlage aber vor, daß wir das Problem wie folgt lösen: Sie geben mir eine Eskorte zum Chef der Leibwache und zur Kanzlei mit, dann kann er übernehmen, wenn wir oben sind.«
    Der Major fügte sich schnell und ließ Carl durch den Metalldetektor treten, der nur auf bestimmte Metallteile an Carls Uniform reagierte, was aber erkennen ließ, daß von Waffen keine Rede sein konnte. Carl trug sich in das Besucherbuch ein und wandte sich amüsiert den beiden jüngeren Offizieren zu, die vor ihm strammstanden.
    »Also, meine Herren, dann gehen wir!« befahl Carl, salutierte und gab mit einer Handbewegung zu erkennen, daß seine Begleiter vorausgehen sollten. Sie gehorchten automatisch.
    »Früher war dieses dunkelblaue Mützenband die Farbe des KGB, heute aber muß es sicher etwas anderes sein?« fragte Carl leichthin, als sie schweigend mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock gefahren waren und durch einen langen, menschenleeren Korridor mit schwarzweißem Marmormuster auf

Weitere Kostenlose Bücher