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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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die Frage gestellt, ohne nachzudenken.
    »Wir haben bestimmte Prioritäten neu bewertet. Heute haben wir den ersten Tag des kurdischen Neujahrsfests, einen Tag, an dem wir hoffentlich keine kurdischen Kinder festnehmen, sondern lieber russische Spione«, sagte Carl und erhob sich plötzlich.
    Thomas Hempel hatte nichts dagegen einzuwenden, da er keine Fragen mehr hatte. Das Interview würde schon in seiner gegenwärtigen Form den Schwerpunkt der wichtigen Sendungen des Tages am Nachmittag bilden und sogar noch die Sendetermine des kommenden Morgens und Vormittags beherrschen. Außerdem die sogenannten Kurznachrichten des kommenden Tages, bei denen allgemeines Gefasel alle dreißig Minuten die Rockmusik des dritten Programms unterbrechen würde. Überhaupt würde dieses Interview alle anderen Nachrichten beherrschen, falls sich in der Türkei nicht gerade ein bekannter Sportler den Fuß brach.
    Erst im Fahrstuhl ging Thomas Hempel auf, daß Hamilton nur einmal selbst die Initiative ergriffen hatte. Er hatte nur eine einzige Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden war, und das überdies höchst effektvoll, da das Interview damit beendet worden war: Die Säpo hatte zum kurdischen Neujahrsfest zugeschlagen. Da Hamilton gerade das betont hatte, wurde es zu einem ironischen Kommentar der Arbeit aller früheren Säpo-Regimes. Außerdem ein sehr bedeutungsschweres Ende des Interviews.
    Thomas Hempel war plötzlich leicht euphorisch zumute. Dies war vermutlich das beste oder zumindest eins der besten Interviews, die er seit langer Zeit gemacht hatte. Und dieses Interview hatte Erik Ponti aus der Hand gegeben, weil er angeblich mit irgendeinem türkischen Fußballspiel zu tun gehabt hatte?
    Carl blieb noch eine Zeitlang in seinem Ledersessel sitzen und versuchte das Interview im Gedächtnis zu repetieren. Dann ging er zu seinem Schreibtisch zurück, klappte eine schwarze Ledermappe auf, die seine Notizen verdeckte, und hakte auf seiner Liste einige Punkte ab. Es gab noch rund drei weitere denkbare Fragen, die er hätte beantworten können. Doch so, wie es gelaufen war, war es mehr als ausreichend. Die Medien waren in der Politik eine starke Waffe, darin hatte Erik Ponti unleugbar recht.
    Jetzt hatte er noch etwas Benzin ins Medienfeuer gekippt, und da blieb den Politikern wohl kaum eine andere Wahl, als sich mit Hurra-Rufen anzuschließen und sich zu bemühen, einen möglichst großen Teil der Ehre für sich zu beanspruchen. Jetzt war das Mahl serviert, man hatte den Gästen zugeprostet und den Ministerpräsidenten willkommen geheißen. Jetzt konnte er sich für eine Weile diskret zurückziehen.
    Doch der Ministerpräsident und sein Staatssekretär Lars Kjellsson waren gar nicht froh gewesen, als Carl an diesem Morgen zu einem Treffen im Regierungsgebäude Rosenbad erschienen war. Sie zeigten sich höchst kritisch und monierten, daß sie die Informationen erst eine Stunde im voraus erhalten hatten; um 9.01 Uhr exakt hatte er mitgeteilt, daß die Aktion in genau neunundfünfzig Minuten stattfinden werde.
    Als er eintrat, hatten sie sich in einer Diskussion zu einem völlig anderen Thema befunden. Soviel Carl verstand, hatte es mit einer neueingesetzten Gruppe zu tun, einer Mischung aus Promis und Feministen, die beauftragt werden sollte, die Macht der Massenmedien zu untersuchen, und zwar mit einer kritischen Spitze gegen Familie Bonnier und den Medienmogul Stenbeck. Carl konnte nicht heraushören, worin das Problem bestand. Möglicherweise war einer der Kontrahenten der Ansicht, daß noch mehr Prominente nötig seien. Er erzählte kurz, es sollten drei Spione festgenommen werden. Das habe wahrscheinlich zur Folge, daß man drei Offiziere des russischen Nachrichtendienstes des Landes verweisen müsse, die sich erst seit kurzer Zeit in Schweden aufhielten, unter dem Deckmantel ihrer Botschaftszugehörigkeit arbeiteten und somit diplomatische Immunität genössen. Als er das erklärte, machten die beiden Politiker ein Gesicht, als begriffen sie nicht, was er sagte.
    Er mußte seinen kurzen Vortrag wiederholen. Die erste Reaktion des Ministerpräsidenten war so etwas wie Resignation und Enttäuschung. Er murmelte: »Ich bezweifle, daß es notwendig ist, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen.«
    Carl vermutete, daß diese Reaktion etwas mit der Theorie zu tun hatte, derzufolge man diplomatische Beziehungen nicht unnötig mit etwas stören dürfe, was der Formel zufolge »obsolete Spionagegeschichten« waren. Damit war

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