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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa nach 1991 gemeint. Das einzige Land der EU, das sich in den Erkenntnissen aus den ostdeutschen Archiven festbiß, war lustigerweise Deutschland. Dort traf die Rache kleine wie große Spione gleichermaßen. In den meisten anderen Staaten hatte man es für praktischer gehalten, die einheimischen Agenten in den Archiven zu begraben und so zu tun, als gäbe es sie nicht.
    Zumindest vermutete Carl, daß die erste übellaunige Reaktion des Ministerpräsidenten auf einer solchen Assoziation beruhte. Deshalb wies er schnell darauf hin, daß es natürlich etwas völlig anderes sei, wenn das neue Rußland alte Agenten reaktiviere. Insoweit müsse es doch eine kluge Politik sein, dem Übel sofort zu begegnen. Die jetzt festgenommenen Männer seien jedenfalls keine »obsoleten« Figuren aus den siebziger Jahren, sondern jetzt, in diesem Augenblick, in dem sie festgenommen werden sollten, noch durchaus aktiv.
    Lars Kjellsson löste den Knoten, indem er Carl bat, über die bisherige Ermittlungsarbeit sowie einige andere technische Zusammenhänge zu berichten. Anschließend erlaubte sich Carl den Hinweis, daß der Ministerpräsident, der Staatssekretär und er selbst schon bei einem früheren Gespräch eine neue Strategie für die Sicherheitspolizei formuliert hätten. Schließlich sei ja berücksichtigt, daß die Säpo aufhören solle, Einwanderer zu jagen, um statt dessen die Spionageabwehr zu intensivieren. Das sei ein konkretes Ergebnis des allgemeinen Politikwandels, der Unterschied sozusagen zwischen einem bürgerlichen und einem sozialdemokratischen Regime.
    Der Ministerpräsident schluckte widerwillig und nicht ohne Mißtrauen diesen Köder. Doch was er selbst darüber auch denken mochte, wenn er an die Öffentlichkeit trat, um die Spionageaffäre zu kommentieren, würde er genau das sagen müssen. In dieser Hinsicht hatte er keine Handlungsfreiheit. Die Spione würden sehr bald festgenommen werden, und das konnte er schließlich nicht verbieten.
    Doch weder der Ministerpräsident noch Lars Kjellsson waren besonders gut gelaunt, als Carl ging. Zuvor war ihm noch mit unfreundlichen Worten bedeutet worden, den Ministerpräsidenten für den Rest des Tages über jede neue Phase der Angelegenheit informiert zu halten.
    Das hatte er auch getan. Und jetzt sollte die Tagesarbeit auf einer kurzen Gruppenkonferenz mit seinen führenden Mitarbeitern zusammengefaßt werden. Außerdem waren Vorträge der Vernehmungs und Analysegruppe vorgesehen. Vorläufigen Berichten zufolge sollte es angenehme Nachrichten geben. Es blieben noch zwanzig Sekunden bis zur Konferenz, und Carl hörte, wie seine Mitarbeiter draußen vor der Tür standen und unruhig auf der Stelle traten. Er lächelte über sein Admirals-Theater still in sich hinein, machte sich gerade, rückte seine Kleidung zurecht, schloß die Augen und konzentrierte sich auf seine Rolle als Schwarzer Admiral.
    Dann ging er zur Tür, sah auf den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr und öffnete auf die Sekunde pünktlich, so daß er einen seiner Polizeidirektoren überraschte, der gerade die Hand hob, um anzuklopfen.
    »Ausgezeichnet, daß Sie pünktlich sind, das weiß ich zu schätzen, meine Herren«, sagte Carl, dem die Theatermaske schon fest im Gesicht klebte. »Bitte sehr, kommen Sie rein und nehmen Sie Platz.«
    Die Vorträge waren schnell überstanden, da die beiden vortragenden Kommissare ganz sicher davor gewarnt worden waren, ihre Darlegungen unnötig in die Länge zu ziehen.
    Die Ergebnisse der Analysegruppe waren nicht ganz so gut, wie Carl gehofft hatte. Bei zweien der Festgenommenen, dem Kommissar der hauseigenen Industrieschutzgruppe und dem Burschen vom Industrieministerium, waren entscheidende Funde gemacht worden. Man hatte Dokumente gefunden, belichtete und unbelichtete Filme sowie Karten mit Markierungen, die zu Treffpunkten führten. Dort hatte man die Verdächtigen während der Fahndung fotografiert und einige andere Erkenntnisse gesichert, was die Beweislage insgesamt zufriedenstellend machte. Bei dem Beamten des Außenministeriums waren nur Dokumente gefunden worden, die er wohl kaum hätte mit nach Hause nehmen dürfen, jedoch keine technische Ausrüstung, um diese zu kopieren oder zu fotografieren. Die vorläufige Durchsicht der Bankkonten der Verdächtigen hatte ebenfalls nichts ergeben, worauf man den Finger legen konnte.
    Die Ergebnisse der Vernehmungsgruppe waren angesichts dieses Hintergrunds ein wenig

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