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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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des Mordes an Frau Hamilton und Hamiltons minderjährigem Sohn verdächtigt wurde.
    Und wenn dies eine besonders geschickte Methode sein sollte, sich von dem Verdacht zu befreien, war das junge Fräulein Lisa-Stina Oscar-verdächtig, wenn man davon absah, daß ihr juristisches Wissen auf Staatsanwaltsniveau liegen mußte.
    Das wurde bei der Polizei nicht als sehr wahrscheinlich angesehen. Sie war vielmehr auf einen Ganoven reingefallen. Ihr war erst hinterher klargeworden, daß ihr Türsteher einen Menschen ermordet hatte. Nicht einmal jetzt, beim Verhör, war ihr klar, wen er ermordet hatte; wahrscheinlich hatte sie seit dem Abflug von Arlanda keine Zeitungen mehr gelesen. Es blieb die Frage, was sie eventuell aus den Blättern hatte erfahren können, die in Südspanien zu haben waren. Da war nur eine Schlußfolgerung möglich: Sie begriff nicht, was mit ihr geschehen war. Das auf Tonband aufgenommene Verhör würde ihren Anwalt dazu bringen, vor Freude zu steppen – falls ein Anwalt überhaupt noch nötig war, wenn der Staatsanwalt sich das Verhör zu Gemüte geführt hatte. Die junge Dame war weiß wie Schnee, da sie so einzigartig dumm war.
    Bevor sie das Verhör beendeten, fragten sie sie, ob sie wisse, wer Hamilton sei. Das hatte sie nach kurzem Zögern bejaht. Dann fragten sie, ob ihr bekannt sei, daß Hamiltons Frau und sein minderjähriger Sohn mit einer Autobombe ermordet worden seien. Da riß Lisa-Stina die Augen auf und sagte, Gott, wie schrecklich.
    Sie schickten sie in die Arrestzelle hoch, wünschten ihr eine gute Nacht und trösteten sie damit, daß sie gute Aussichten habe, schnell auf freien Fuß gesetzt zu werden.
    Anschließend gingen sie zu ihrem Chef hinunter, um ihm mitzuteilen, daß der Fall aufgeklärt sei. Der Mörder Tardell sei tot aufgefunden worden, seine bedauernswerte Freundin sitze in der Zelle und fange wohl jetzt erst an zu begreifen, wen ihr Türsteher ermordet habe. Die Polizei, wenn auch die spanische und wenn auch mit bedeutender Hilfe der sizilianischen Mafia, habe den Mord an Frau Hamilton und ihrem und dem Säpo-Chef gemeinsamen Sohn aufgeklärt. Der Fall sei gelöst. Die Sizilianer hätten auf deutliche und klassische, stilreine Weise gezeigt, daß Tardell zuviel geredet habe.
    Diese Nachricht machte ihren Chef Jan Köge sichtlich munter. Er ließ sofort eine Reihe von Pressemitteilungen zusammenstellen, wie man den Fall schließlich gelöst habe; dazu einige kurze Mitteilungen, die jedoch das Wesentliche enthielten, daß nämlich der Fall aufgeklärt sei und der Verdächtige sich auf dem Weg nach Schweden befinde, wenn auch als Leichnam.
    Es gab sehr große Schlagzeilen.
    Für Kommissar Wallander von der Polizei in Ystad gab es ein sehr wichtiges Detail in dem, was die Zeitungen über den aufgeklärten Mord schrieben. Nämlich den Preis, der für den Mord bezahlt worden war.
    Ein junger Wachmann, der mit anabolen Steroiden ebenso vollgepumpt war wie mit der Vorstellung, daß die Starken ein Recht haben, reich zu werden, bekommt eine Tasche mit einer Million Dollar in Hundertdollarscheinen unter die Nase gehalten: zehntausend Hundertdollarscheine in hübschen kleinen Päckchen in einem dicken ledernen Aktenkoffer. Wallander stellte sich sofort vor, daß es sich so abgespielt haben mußte: Der Mann, der für den Mord vorgesehen war, mußte das Geld vorher gesehen haben.
    Wer der sizilianischen Mafia bei einem Mord an einer nahen Verwandten Hamiltons helfen konnte, konnte daran also acht Millionen Kronen in bar verdienen. Das war unerhört viel mehr als das, was Wallander sich zunächst vorgestellt hatte. Jetzt, nachträglich, als ihm alles klar war, mußte er sich eingestehen, naiv gewesen zu sein. Er wußte zwar im Grunde nicht viel über die sizilianische Mafia, hätte sich aber sagen müssen, daß deren Einkünfte mehrere Milliarden Dollar im Jahr betrugen. Was war da eine Million für etwas, was sie offenbar für wichtig hielten?
    Wallander hatte nur einen einzigen lebenden Mafioso kennengelernt, und dieser war wegen zweifachen Mordes soeben vom Amtsgericht Ystad zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt worden, mochte der Prozeß aus Sicherheitsgründen auch nach Malmö verlegt worden sein. Der Angeklagte hatte nicht den Versuch gemacht, dem zweiten Sizilianer die Schuld zu geben. Vielmehr hatte der Mörder grinsend zugegeben, »nur eins der Weiber erschossen« zu haben, und dann angedeutet, er habe sowieso nicht die Absicht, sehr lange in diesem ungastlichen Land

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