Über jeden Verdacht erhaben
halbe Stunde daraus.
Dann entnahm er seinem Panzerschrank eine Mappe, in der von bestimmten Säpo-Agenten die Rede war, die jetzt abgewickelt wurden. Er memorierte Detail um Detail und machte sich dabei von Hand einige Notizen. Als eine halbe Stunde vergangen war, verschloß er das Material wieder im Panzerschrank und begab sich zu seinem Reißwolf, dem er seine handgeschriebenen Notizen überantwortete.
Er fühlte sich innerlich rein, als er mit der gesetzlich erlaubten Geschwindigkeit in Richtung Stenhamra fuhr. Er hätte sein Gefühl nur so beschreiben können, mit dem Wort rein. In einer anderen Zeit, in der Tessie und Ian Carlos auf ihn zu Hause gewartet hatten, wäre er vielleicht strahlender Laune gewesen oder gar glücklich ; das waren jedoch Worte, die er inzwischen aus seinem Wortschatz gestrichen hatte.
Zufrieden über ein gelungenes Tagewerk war er trotzdem. Eine der beiden großen Neuerungen, die er sich als Säpo-Chef vorgenommen hatte, hatte sich jedenfalls deutlich für alle manifestiert, die es anging – für die Steuerzahler, die Russen und die schwedische Regierung. In dieser Reihenfolge. Das eine große Projekt war dabei, endgültige Form anzunehmen, das zweite war angelaufen, und danach wäre alles vorbei. Das war ein sehr reines Gefühl.
Als er bei seinem leeren Haus ankam, war es draußen noch hell. Er mußte sich demnach noch ein paar Stunden beschäftigen und widmete sich dem Aufräumen. Zumindest nannte er es so. Er führte einige Telefongespräche, rief die Banken in San Diego und in Luxemburg an, dann seinen Anwalt in Stockholm, der bestimmte Stiftungsgelder verwalten und einige andere Aufträge übernehmen sollte.
Dann verbrannte Carl die letzten Reste von Tessies und Ian Carlos’ Kleidung zusammen mit einigen eigenen Kleidungsstücken, die in seiner Erinnerung so stark mit den beiden verbunden waren, daß er es nie über sich bringen würde, sie noch einmal zu tragen.
Als er zu seinem begehbaren Kleiderschrank hinüberging, fiel sein Blick auf einige Regale, in denen einige kleine Lederetuis in verschiedenen Farben lagen. Irritiert riß er den ganzen Pakken an sich und nahm ihn mit in die Küche hinunter. Er holte den Müllbeutel hervor, der schauerlich roch, da er seit mehreren Tagen nicht zu Hause gewesen war. Er schüttelte die Medaillen auf den Fußboden, da die Etuis brennbarer Müll waren und anderweitig entsorgt werden mußten. Der klirrende, immer größer werdende Haufen von Orden neben dem stinkenden Müllbeutel erfüllte ihn mit Ekel über sich selbst, über die Fähigkeit des Menschen, auf äußeren Schmuck überhaupt Wert zu legen, über die Moral, derzufolge das, was ein starker Mann tut, immer berechtigter ist als das, was ein schwacher Mann tut, über die öffentliche Moral, die immerzu von sich behauptet, gegen Gewalt zu sein. Es wurden schöne Reden zu diesem Thema gehalten; die Hausfrauen des Millionärsvororts Djursholm organisierten so etwas wie eine Volksfront »Für Menschen gegen Gewalt«. Zugleich belohnt die Gesellschaft ihre besten Mörder mit Glasperlen und bildet ihre Söhne dazu aus, mit großem Ernst das Handwerk des Tötens zu erlernen.
Carl schnappte sich eine Faust voller Orden und warf sie in den Müllbeutel, wo sie unter getrockneten Teeblättern, sauren Milchpackungen, Saucenresten, Apfelgehäusen, Joghurtbechern aus Kunststoff und schmutzigen Plastiktellern von Fertiggerichten landeten.
Er ergriff den Müllbeutel an den Rändern und schüttelte ihn ein wenig, um mehr Platz zu erhalten. Ihm fiel das komische Geräusch des metallischen Klirrens auf Müll auf. Er warf einen Blick auf das Durcheinander, und dieser visuelle Eindruck verstärkte noch seine komischen Assoziationen.
Plötzlich überlegte er es sich anders. Es war wie ein Reflex aus der Erziehung in der Kindheit, der Moral, die ihm sagte, es sei unanständig, das Essen nicht aufzuessen, da es in Afrika hungernde Kinder gebe, es sei Sünde, Nahrungsmittel zu verschwenden, und man dürfe auch mit Geld nicht überheblich umgehen; seine Mutter hatte die Schnüre der Weihnachtspäckchen am Heiligen Abend aufgehoben, sie zu kleinen Knäueln gebunden und sie in der geräumigen Speisekammer des Schlosses verwahrt, wo man sie erst nach ihrem Tode anzurühren wagte und wegwarf.
Es gab noch etwas Besseres, Komischeres, was er mit diesem Feuerwerk der Eitelkeit anstellen konnte. Er nahm die Orden an sich und spülte sie lächelnd nacheinander unter dem Wasserhahn ab, trocknete sie mit einem
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