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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schüchternheit fort, die auch gespielt aussehen sollte. »Es ist eher eine Beobachtung, die ich bei der Arbeit im schwedischen Spionagesystem gemacht habe. Ich habe im längeren Teil meines Berufslebens mit dem entgegengesetzten Problem gearbeitet, nämlich selbst dafür zu sorgen, daß die Sicherheitspolizei fremder Mächte mich nicht erwischt, übrigens auch nicht unsere Informanten oder Agenten. Das ist uns recht gut gelungen, wie ich sagen kann, ohne Staatsgeheimnisse zu verraten. Und der Grund, weshalb es gutgegangen ist, ist folgender: Unsere Kontaktflächen, um eine ebenso übliche wie bizarre Umschreibung zu verwenden, haben komischerweise größeres Vertrauen zu uns gehabt als zu ihrer eigenen Sicherheitspolizei. Jetzt, wo ich auf meine alten Tage noch Sicherheitspolizist geworden bin, ist mir diese Erkenntnis mit aller wünschenswerten Deutlichkeit gekommen. Daher auch die einfache Idee, diese anscheinend unabänderlichen Verhältnisse zu ändern.«
    »Indem du was tust? Indem du zum Beispiel ein paar russische Spione schnappst?« fragte der Professor mit journalistischer Fixigkeit.
    »Absolut«, bestätigte Carl. »Das gehört unzweifelhaft zum Plan. Bisher haben alle Werber von KGB-Spionen in Schweden ihren zögernden, noch nicht angeworbenen Schweden im großen und ganzen wahrheitsgemäß sagen können, daß noch niemand geschnappt worden sei. Die Schweden, die sich als Spione einer fremden Macht haben anwerben lassen, haben unleugbar mehr Vertrauen vor allem zu den russischen Werbern gehabt als zu ihrer eigenen Sicherheitspolizei. Nach dem, was ich vorhin sagte, kann ich das leider verstehen. Doch jetzt wollen wir die Verhältnisse ändern. Jeder der hier Anwesenden, der sich ein Angebot von Boris Nikolajewitsch durch den Kopf gehen läßt, sollte sich das also sehr genau überlegen.«
    »Ja, aber das ist doch nur das eine Bein der logischen Konstruktion«, wandte der Professor schnell ein. »Eine wirksamere Gegenspionage kann Vertrauen dafür schaffen, daß ihr bei der Jagd effektiver geworden seid. Aber daraus folgt doch noch nicht die Liebe des schwedischen Volkes?«
    »Sehr richtig«, bestätigte Carl mit einem theatralischen Seufzen. »Sehr richtig und sehr traurig. Die Jagd auf Spione ist, worauf du sehr richtig hingewiesen hast, nur das eine Bein, im übrigen das Bein, das sich am leichtesten in Gang bringen läßt. Dann kommen die schwierigen und langfristigeren Aufgaben. Während eines bestimmten Zeitraums, der lang genug sein muß, ich weiß aber nicht, wie lang, muß die schwedische Sicherheitspolizei wirklich beweisen, daß wir nicht der Feind der Demokratie sind, daß wir tatsächlich an den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz glauben. Erst dann wird sogar ein Professor der Staatswissenschaften mir den Tip geben, daß einer seiner Dozenten vielleicht für eine fremde Macht arbeitet, ohne sich dabei wie ein ostdeutscher Stasi-Denunziant zu fühlen. Ich gebe zu, daß wir auf diesem Weg noch einiges zurückzulegen haben, bevor wir dort angekommen sind.«
    Carls abschließende Untertreibung und seine Selbstironie lösten neuen Beifall aus. Er verstärkte diesen unabsichtlich zu Lachsalven, indem er etwas hinzufügte, was ihm plötzlich als ein Mindestmaß an Höflichkeit erschien.
    »Eins würde ich gern noch hinzufügen«, sagte er mit gesenktem Kopf, »nämlich daß mein Beispiel über Dozenten höchst hypothetisch gewesen ist. Soviel ich weiß, hat der Sicherheitsdienst des Landes keinen wie auch immer gearteten Verdacht gegen deine Dozenten. Wenn wir allerdings einen Verdacht hätten, würde ich hier nichts darüber sagen dürfen.«
    Der nächste Fragesteller wurde als Vorsitzender der soziologischen Vereinigung vorgestellt. Er hatte eine sehr kurze Frage, aus der Carl eine große oder eine kleine Nummer machen konnte, je nachdem, wozu er Lust hatte. Es war ganz einfach ein Ball, der ihm vor die Füße gespielt worden war.
    »Ist die demokratische Kontrolle der Säpo schon stark genug?« »Nein«, erwiderte Carl ohne zu zögern. »Der Säpo-Chef beispielsweise hat eine persönliche Macht, die vollkommen unangemessen ist, was für ihn persönlich allerdings praktisch ist, was ihr in kurzer Zeit übrigens entdecken werdet. Ich hätte für unser Land gern ein System, das nicht nur die Nachrichtendienste einer parlamentarischen Kontrolle unterstellt, sondern auch mein Amt. Diese Behörde müßte das Recht haben, mich oder jeden anderen in unserer Firma zu bitten, wahrheitsgemäß und

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