Über jeden Verdacht erhaben
nicht gegen Braunäugige. Das ist nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme. Aus diesem Grund ist dieses System auch nicht effektiv – wenn es denn tatsächlich stimmt, daß wir Mitarbeiter der Säpo das Vertrauen der Menschen genießen müssen, um effektiv arbeiten zu können. Und dann ist da noch eine weitere Kleinigkeit: Dieses System ist nicht demokratisch.«
Die Zuhörerschaft spaltete sich jetzt auf komische Weise in ihren Reaktionen. Die zahlreich vertretenen ausländischen Studenten klatschten anhaltend Beifall, während die schwedische Mehrheit sich gleichgültiger verhielt.
»Bist du Sozialist?« fragte die Vorsitzende der sozialdemokratischen Vereinigung in dem Augenblick, in dem sie zu dem Schluß kam, daß der Geräuschpegel im Saal genügend gesunken war.
»Ja, das bin ich«, erwiderte Carl amüsiert. »Solange du mir nicht das Bekenntnis abverlangst, was für eine Art Sozialist ich bin. Eine Antwort darauf würde mir nämlich schwerfallen. Ich kann jedenfalls so viel sagen, daß die Angaben, die ich in den Archiven der Säpo über mich fand, in dieser Hinsicht fehlerhaft waren. Leider sind das geheime Informationen, die ich nicht preisgeben darf.«
Die neuen Lachsalven unter den Zuhörern, die jetzt wieder munterer wurden, zwangen die junge Frau in dem roten Kostüm von unauffälliger Eleganz, mit ihrer Anschlußfrage fast peinlich lange zu warten, da sie nicht mehr zurück konnte und trotzdem ahnte, daß diese die Stimmung im Saal vielleicht umkippen lassen würde.
»Ist es nicht merkwürdig, in unserer Welt Sozialist zu sein und gleichzeitig ein versteuertes Vermögen von mehr als hundert Millionen zu haben?« fragte sie schließlich.
Die Frage wurde zunächst mit Schweigen aufgenommen, in das sich einige Pfiffe mischten.
»Was soll ich sagen…«, begann Carl und zögerte mit der Fortsetzung, während er darauf wartete, daß sein Publikum ihm aufmerksam zuhörte. »Mit Geld verhält es sich so, daß es nicht nur angenehm ist, sondern auch nützlich sein kann. Dieses Vermögen, von dem du sprichst, existiert nicht mehr. Das werdet ihr später in diesem Jahr noch entdecken, wenn die Abendpresse die Einkommensverhältnisse von Prominenten veröffentlicht. Dann stehe ich nämlich bei null. Das liegt jedoch nicht daran, daß ich mein Geld etwa verspekuliert hätte, sondern vielmehr daran, daß ich es zum Teil verbraucht und zum Teil hoffentlich nützlichen Zwecken zugeführt habe. Aber selbst wenn ich dieses Geld noch hätte, würde meine Antwort wohl lauten, daß Geld immer einem guten Zweck zugeführt werden kann. Die Hauptsache ist, daß es nicht bei Gaunern landet, Börsenhaien und Pöstchenjägern. Ja, ich hoffe, Sozialist zu sein. Gibt es noch mehr, was ihr wissen wollt?«
Carl gab seinem Personenschutz durch ein Kopfnicken demonstrativ zu verstehen, daß es Zeit war, die Abfahrt vorzubereiten. Doch dann eilte der Vorsitzende plötzlich aufs Podium, um sich mit ein paar überflüssigen Bemerkungen zu bedanken. Und dann, gerade als jemand Blumen brachte, die von einem von Carls Leibwächtern sofort beschlagnahmt wurden, um inspiziert zu werden, formulierte er die letzte Frage des Abends. Er hörte sich an wie ein Marktschreier, der besonders betonen will, daß es tatsächlich die letzte Frage des Abends ist.
»Wer ist ein über jeden Verdacht erhabener Bürger?«
Das Stimmengewirr und die Aufbruchstimmung legten sich, während Carl so tat, als dächte er über seine Antwort nach.
»Also«, sagte er, als es im Saal wieder einigermaßen ruhig geworden war. »Das ist eine Formulierung, die ich im Säpo-Archiv gefunden habe. Sie beschreibt Personen, die nicht zum Gegenstand eines Spionageverdachts werden konnten. Es waren, um drei Beispiele zu nennen, hohe Beamte im Außenministerium, in einem weiteren Ministerium sowie Säpo-Angestellte, mit anderen Worten also Leute wie ich selbst. Und laßt mich noch einen letzten einfachen Hinweis hinzufügen. Die Personen, die vergangene Woche als russische Spione festgenommen wurden, waren ebenfalls über jeden Verdacht erhabene Bürger. Dieses Prinzip der Unantastbarkeit existiert in Schweden also nicht mehr!«
Bei diesen Worten drängten sich seine Leibwächter vor und hielten Autogrammjäger und andere Leute fern, die aus irgendeinem Grund der Meinung waren, auf den Redner zustürmen zu müssen, als die Veranstaltung beendet war.
Während ein vergleichsweise matter Schlußapplaus zu hören war, war Carl schon auf dem Weg ins Freie. Man
Weitere Kostenlose Bücher