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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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unter Strafandrohung auf alle nur denkbaren Fragen zu antworten. Die Einwände dagegen lauten meist so, daß im Reichstag so viel durchsickere. Nun ja, die Einwände liegen meist auf diesem Niveau. Vielleicht ist es so, darüber weiß ich nicht sehr viel. Der eventuelle Nachteil, falls es nun einer ist, daß unsere Volksvertreter wissen sollen, womit sich die staatlichen Behörden beschäftigen – ein an und für sich bizarrer Gedanke –, sollte dann gegenüber den Vorteilen abgewogen werden. Nehmen wir an, ich sei ein böser Mann, um mit einem alten studentischen Spaßmacher aus Lund zu sprechen, der großes Format hatte. Nehmen wir also an, ich sei ein böser Mann. Nehmen wir ferner an, es würde mir gelingen, ein paar tausend unserer braunäugigen Mitmenschen, aber eben noch nicht Mitbürger, in der Türkei foltern zu lassen. Im übrigen bin ich derjenige, der entscheiden kann, ob sie schwedische Staatsbürger werden dürfen oder nicht. Ich könnte zum Beispiel mindestens fünfundzwanzig Prozent von euch, die ihr hier im Saal sitzt, mit einem Berufsverbot belegen. Ihr würdet in dem sogenannten öffentlichen Sektor niemals einen qualifizierten Job erhalten. Das sind nur einige drastische Beispiele. Nun bin ich aber kein böser Mann. Aber woher sollt ihr das wissen? Nun? Soll eine solche Macht von einem Reichstagsausschuß mit Frauenquote kontrolliert werden können oder nicht? Verzeiht mir diese letzte Bemerkung, aber ich hatte es einfach im Hinterkopf, daß heute alles nur mit einer entsprechenden Frauenquote geregelt werden soll. Diese Macht soll aber unter demokratische Kontrolle gebracht werden. War das eine Antwort auf deine Frage?«
    Das war es. Der junge Fragesteller spielte den Hilflosen, kassierte seine Lacher und setzte sich.
    »Findest du, daß das Terroristengesetz zu deinem Gerede von der Gleichheit aller vor dem Gesetz paßt?« rief ein Zuhörer, dessen Frage offensichtlich nicht vorher abgesprochen worden war. Der Mann sprach mit einem starken Akzent und war sichtlich braunäugig und schwarzhaarig. Aus diesem Grund war es nicht möglich, ihm jetzt über den Mund zu fahren, obwohl er flagrant gegen die akademische Diskussionsordnung verstoßen hatte.
    »Nein«, entgegnete Carl. »Das Terroristengesetz sagt nichts weiter aus, als daß Ausländer ohne Beweise bestraft werden können. Alles, was Terroristen tun könnten, ist ohnehin schon verboten. Das Gesetz diskriminiert Ausländer und sollte deshalb abgeschafft werden, ebenso das Recht der Säpo zu entscheiden, wer schwedischer Staatsbürger werden darf und wer nicht.«
    Die nächste reguläre Fragestellerin war der Vorstellung zufolge Vorsitzende der sozialdemokratischen Vereinigung. Sie hatte ihre Fragen aufgeschrieben. Doch da Carls letzte Antwort zum Teil mit Beifall, zum Teil mit enttäuschtem Gemurmel und sogar vereinzelten Buhrufen quittiert worden war, ergriff sie schnell die Gelegenheit beim Schopf und stellte eine Anschlußfrage.
    »Aber wäre es keine Schwächung unserer Abwehr gegen den Terrorismus, wenn Schweden als einziges Land in Westeuropa die Terroristengesetze abschaffte?« fragte sie. Sie sprach im Stakkato, als ahnte sie schon, daß sie sich auf glattem Eis befand.
    »Nein, ganz und gar nicht«, entgegnete Carl zufrieden. »Wir haben ja dieses Ziel, wie ich es eben skizziert habe, diesen Traum vom Vertrauen der Mitbürger. Du weißt schon, die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn es um unsere Fähigkeit geht, unerwünschte Personen an den Grenzen abzuweisen, haben die Terroristengesetze keinerlei Wirkung. In dieser Hinsicht gibt es bekanntlich eine besorgniserregend umfangreiche Batterie gewöhnlicher Gesetze. Es geht also um die Personen mit schwarzem Haar und braunen Augen, die sich jetzt schon legal in Schweden aufhalten. Wenn wir hinreichende Gründe für die Annahme haben, daß eine solche Person oder eine Person wie du illegal zu Hause Waffen aufbewahrt, nun, dann erfolgt eine Hausdurchsuchung. Es ist nämlich für Blauäugige wie für Braunäugige verboten, zu Hause illegal Waffen aufzubewahren. Ebenso ist es für Braunäugige wie Blauäugige verboten, Vorbereitungen zu einem Mord zu treffen, zu einer Entführung, Brandstiftung, einer gemeingefährlichen Tätigkeit, Sabotage, Spionage, zu illegaler nachrichtendienstlicher Tätigkeit, was immer man nach dem Strafgesetzbuch alles aufzählen kann. Aber: Unserem gegenwärtigen System zufolge sind Beweise oder ein hinreichender Tatverdacht nur gegen Blauäugige erforderlich,

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