Über jeden Verdacht erhaben
sich immer und immer wieder in einer Kunst geübt, die wahrlich nicht die seine war und die er vom amerikanischen Fernsehen her besser kannte als aus seinem eigenen Land. Doch jetzt war es vollbracht.
Da die Organisatoren der Akademischen Vereinigung bei Zusammentreffen mit Ministerpräsidenten und anderen Prominenten Übung im Umgang mit dem Publikum hatten, leiteten sie auch jetzt die obligatorische Fragestunde mit einem gewissen Schwung. Als der Beifall sich zu legen begann, trat der Vorsitzende der Vereinigung mit einem Handmikrophon ans Rednerpult und teilte mit, daß er schon eine Liste von Anwesenden habe, die Fragen stellen wollten. Das schien keinen der Zuhörer zu erstaunen, war also schon vor dem Vortrag abgemacht worden.
Der erste Fragesteller wurde als Professor der Staatswissenschaften vorgestellt und erhielt in Windeseile ein Mikrophon in die Hand gedrückt.
»Ich sollte zunächst vielleicht sagen, daß ich als langjähriger Universitätslehrer hier in Lund und als ständiger Gast dieser Studentenabende in noch mehr Jahren selten so überrascht worden bin wie heute abend. Angenehm überrascht, sollte ich vielleicht hinzufügen, um Mißverständnisse zu vermeiden«, begann der Professor. Wahrscheinlich hatte er nur deshalb so umständlich angefangen, um sein Mundwerk ein wenig zu ölen, bis sich Stimmengewirr und Gelächter gelegt hatten.
Carl war aufgestanden und nickte seinem ersten Fragesteller freundlich zu. Er war von der Anspannung erregt und erhitzt und fühlte, daß seine Wangen vielleicht rosiger waren als unbedingt erwünscht. Er knöpfte diskret sein Jackett auf, wobei ihm wohl bewußt war, daß man so aus bestimmten Blickrichtungen erkennen konnte, daß er bewaffnet war. Er ging jedoch davon aus, daß das niemanden erstaunen werde, geschweige denn als Affront gegen den Fragesteller gewertet werden würde.
»Aber das, was du sagst, Herr Generaldirektor des Volkes, ist mit Verlaub sensationell«, fuhr der Professor fort, nachdem sich das Stimmengewirr gelegt hatte. »Ein Sicherheitspolizist mit dem Vertrauen des Volkes, das war also deine These? Das mag unleugbar als eine Art contradictio in adjecto erscheinen, also, wenn ich übersetzen darf, als ein…«
»Ist schon in Ordnung«, unterbrach ihn Carl und hielt fröhlich abwehrend eine Hand hoch. »Ich bin zwar kein Lateiner, bin aber mit einer Mexikanerin verheiratet, und…«
An dieser Stelle verlor er vollkommen den Faden. Die Wirklichkeit holte ihn ein wie eine Schnellzuglok. Er schloß die Augen und streckte dem Fragesteller abwehrend die Hand entgegen, so daß alle im Publikum sehr deutlich sehen mußten, was hier geschah. Er blieb ein paar Sekunden still stehen, während sich Schweigen auf den Saal senkte. Er hielt die Augen fest geschlossen und gab mit der ausgestreckten Hand zu erkennen, jetzt könne er fortfahren.
»Wie gesagt«, bemerkte er, schlug die Augen auf und holte gleichzeitig tief Luft. »Es mag durchaus als ein gewisser Widerspruch in sich erscheinen, daß ein Säpo-Chef vom Vertrauen seiner Mitbürger spricht. Verzeiht mir die Unterbrechung, zu der Frage?«
»Also, wie gesagt«, fuhr der Professor leicht erschüttert fort.
»Also! Wo in der Weltgeschichte hat es je eine Sicherheitspolizei gegeben, der die Staatsbürger Vertrauen schenkten? Nicht mal im Hitler-Deutschland des Dritten Reiches, könnte ich mir vorstellen. Wenn Dschingis Khan eine Sicherheitspolizei gehabt hätte – und alle Erfahrung spricht dafür, daß er eine gehabt haben muß –, wurde sie von den Bürgern nicht geliebt. Kurz, hat es diese seltene Pflanze schon irgendwo auf der Welt gegeben?«
»Nein«, erwiderte Carl. »Ich kann es mir kaum vorstellen. In unserer Zeit gibt es sie jedenfalls nirgends. Die ostdeutsche Stasi ist ein interessantes Beispiel durch ihr unerhört umfassendes Netz von Informanten unter den Bürgern, aber die hatten trotzdem kein Vertrauen zur Stasi! Die Antwort auf die Frage lautet also nein.«
»Aha«, bemerkte der Professor, dem sein Privileg durchaus bewußt war, weiterfragen zu dürfen. Immerhin war dies eine arrangierte Fragestunde. »Damit ergibt sich unleugbar eine interessante Frage. Aus welchem Grund sollte diese Pflanze gerade in Schweden zum ersten Mal gesichtet werden?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem auch das Kugellager hier zum ersten Mal gesichtet wurde«, erwiderte Carl schnell und erntete damit die erste Lachsalve der Fragestunde. »Ich will mich nicht überheben«, fuhr er mit gespielter
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