Über jeden Verdacht erhaben
schwere Gehirnerschütterung, einige Gesichtsverletzungen sowie vier gebrochene Rippen.
Die kleine Nebenermittlung in Sachen Åla-Nisse hatte Martinsson geführt. Dieser Teil der Gesamtermittlungen war inzwischen erledigt, und Wallander empfand einige Dankbarkeit darüber, daß der Fall jetzt auf dem Tisch des Staatsanwalts lag und daß dieser sich jetzt genötigt sehen würde, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob gegen Åla-Nisse Anklage erhoben werden sollte oder nicht.
Martinsson hatte die Ermittlungsarbeit offenbar viel Spaß gemacht. Er hatte im Dienstzimmer von Björk mit seinen drastischen Formulierungen die halbe Morgenbesprechung bestritten.
Åla-Nisses wenig glaubwürdiger Version zufolge sei es auf der Straße nach Snogeholm vor allem deshalb zu dem Verkehrsunfall gekommen, weil die Ausländer wie die Irren gefahren seien, während er selbst sich geradezu mustergültig verhalten habe.
Åla-Nisse habe einen Bekannten unten in einer Fischerbude am Ufer des Snogeholmsees besucht. Dort habe man »über gemeinsam interessierende Fischereifragen diskutiert«, und danach sei er, Åla-Nisse, nüchtern natürlich, in langsamem Tempo nach Hause gefahren. Er leugnete, daß die Scheinwerfer des Traktors nicht eingeschaltet gewesen sein könnten, und wehrte sich entrüstet gegen jede Unterstellung, er fahre immer ohne Beleuchtung, wenn er betrunken sei. Das behaupteten seine Nachbarn.
Die Tatsache, daß er beim Eintreffen der Polizei weit später am Abend betrunken gewesen sei, sei darauf zurückzuführen, daß er sich aufgrund des Schocks ein paar kräftige Schnäpse hinter die Binde gegossen habe. Daß er sich vom Unfallort entfernt habe, sei darauf zurückzuführen, daß er möglichst schnell ein Telefon habe erreichen wollen, um einen Krankenwagen zu holen. Er selbst halte sich nicht für qualifiziert, Erste Hilfe zu leisten. Er behauptete auch, einen Krankenwagen gerufen zu haben, und konnte nicht verstehen, weshalb sein Anruf nirgends registriert war (offenbar war ihm nicht bewußt, daß solche Anrufe immer registriert werden, daß man sie außerdem auf Band aufnimmt und mit einem Zeitcode versieht). Er wies jede Verantwortung für eventuelle technische Mängel des Notrufsystems in Schonen von sich.
Damit wies er auch jede Anschuldigung zurück, die auf Unfallflucht hinauslief. Sein Traktor liege zwar noch am Unfallort, ja. Da könne er doch keine Unfallflucht begangen haben? Immerhin wisse jeder, daß es sein Traktor sei. Außerdem sei das auch an den Kennzeichen erkennbar, und überdies sei er auf direktem Weg nach Hause gegangen, um als guter und verantwortungsbewußter Staatsbürger einen Krankenwagen zu holen. Das könne man doch nicht als Unfallflucht werten?
Er bestritt auch den Vorwurf der fahrlässigen Tötung, nämlich weil er der Ansicht sei, die »Ausländer« hätten durch ihre irrsinnige Fahrweise den Unfall verursacht.
In dem letztgenannten Punkt widersprach die technische Untersuchung der Darstellung Åla-Nisses ganz entschieden. Die Techniker schätzten, daß Bremsspuren und die Schäden an den beiden Fahrzeugen darauf hindeuteten, daß der Wagen mit den beiden Tätern mit höchstens siebzig Stundenkilometern gefahren sei.
Wallander hatte dieser Angabe spontan Glauben geschenkt. Es erschien ihm logisch, daß zwei Berufskiller im Straßenverkehr nicht auffallen wollten, sondern ein normales Tempo hielten.
Die Männer hatten zwei Wagen gemietet, einen im Hafen von Malmö und einen weiteren auf dem Flughafen von Sturup. Sie hatten gefälschte Führerscheine und gefälschte Pässe gezeigt, die allerdings auf italienische Namen lauteten. Das ließ vermuten, daß sie nichts dagegen gehabt hatten, daß die Polizei in Schweden gerade italienische Staatsbürger verdächtigte – allerdings erst, wenn die Täter sich längst in Sicherheit gebracht hatten. Eine Art Gruß der Mafia, wie Wallander vermutete.
Wahrscheinlich waren die beiden gerade unterwegs gewesen, um den Wagen zu wechseln. Den zweiten Mietwagen hatte man jedoch noch nicht gefunden. Dann wäre der eine wohl mit dem Flugboot nach Kopenhagen gefahren, und der andere…
nun ja, was auch immer.
Wahrscheinlich hätte man die Mörder nie erwischt, wenn nicht Åla-Nisse auf so dramatische Weise in den Ablauf der Ereignisse eingegriffen hätte.
Dieser würde wohl so gut wie ungeschoren aus der ganzen Sache herauskommen, und Wallander sah keinen Grund, sich darüber zu empören. Wenn Åla-Nisses Opfer gewöhnliche Bürger Schonens gewesen
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