Über jeden Verdacht erhaben
statt dessen arbeiten.«
Erik Ponti nahm das kurze Zögern seines Kontrahenten zum Anlaß, genau das zu tun, was seine Kollegen schon getan hatten – er ging.
Der Grund, daß er weder aufgeregt noch wütend war, als er sein Zimmer betrat, der bemerkenswerte Grund war die Tatsache, daß er keine Zeit hatte. Je nach Standpunkt konnte man dies als Berufskrankheit oder Professionalität bezeichnen.
Bevor er sich setzte, nahm er den Hörer ab, wählte die Nummer, die er auswendig kannte, 7368001, und ließ sich dann auf den Stuhl fallen.
Die Sekretärin, die am anderen Ende abnahm, war ihm unbekannt. Er erklärte mit automatischer Höflichkeit, wer er sei, gab seinem Verständnis dafür Ausdruck, daß der Säpo-Chef im Augenblick nicht gleich zur Verfügung stehe, und hinterließ eine Nachricht, wie und wann man ihn anrufen könne. Dann sah er erneut auf die Armbanduhr. Anschließend bewältigte er innerhalb von drei Minuten eine Besprechung und gewann einen vorläufigen Eindruck davon, wie die Begrüßung Schwedens durch die anderen europäischen Staaten sich im Echo des Tages ausnehmen würde.
Anschließend dachte er erneut über Hamilton nach. Plötzlich bekam er eine Ahnung von der Tragödie, denn als er die Ereignisse rekapitulierte, war das unvermeidlich. Er legte seinen Gefühlen und seiner Phantasie jedoch sofort Zügel an. Dann erkundigte er sich in seinem PC über Hamilton, las die Überschriften und die Verweise aufs Archiv.
Nachdem seine Frau, Teresia Corazon, und der Sohn Ian Carlos getötet worden waren, hatte der italienische Fernsehsender RAI 2 den Mafia-Boß interviewt, der als Hintermann der Morde galt, und dieser hatte eine bemerkenswerte Äußerung getan:
»Der Mann, der seine Familie nicht beschützen und verteidigen kann, ist kein richtiger Mann.«
Es folgten einige heuchlerische Vorbehalte: Der interviewte Mafia-Boß erklärte, es sei ihm natürlich vollkommen unbekannt, was in Stockholm geschehen sei, und seine Bemerkung sei ganz allgemein gewesen. Derlei machte sich gut im Fernsehen. Erik Ponti hatte die Kassette angesehen, von der die Äußerung stammte, und gesehen, wie der Mafia-Boß mit seiner zufriedenen Miene ausdrückte, daß er für die Tat verantwortlich sei, während sein Mund es pflichtschuldigst dementierte.
Im Rundfunk hatte er es beim letzten Mal nicht verwenden können, und diesmal würde es wahrscheinlich auch nicht möglich sein. Doch weiter mit dem Archivmaterial.
Also. Erst die Rekapitulation. Schwedische Geschäftsleute waren vor drei Jahren von der sizilianischen Mafia entführt worden. Hamilton und eine unbekannte Zahl ähnlicher Militärs hatten die Geiseln um einen recht hohen Preis befreit – es hatte zahlreiche tote Mafiosi gegeben.
Jetzt erkannte Erik Ponti, daß ihm die Arbeit trotz allem recht schnell von der Hand gehen würde. Bei Hamilton selbst gab es nicht sehr viel zu tun. Es blieb Erik Ponti nichts anderes übrig, als bestimmte Dinge zu rekapitulieren, da keine der in dieser Sache interessanten Personen einen Kommentar abgeben würde.
Nicht einmal dieser Mafia-Boß, obwohl sein früherer Kommentar sich auch heute noch gut machte.
Also weiter in der Vergangenheit graben. Teile der Arbeit waren schon fertig, und da konnte er gegenüber dem letzten Mal einiges an Zeit sparen.
Nach dem Debakel auf Sizilien schickte die Mafia Leute nach Stockholm. Zwei Mann versuchten, Hamilton vor dem Regierungsgebäude Rosenbad zu töten. Sie verwundeten ihn, doch er erschoß beide. Danach tötete ein anderes Team von Sizilien seine frühere Frau und seine Tochter. Wie hieß sie noch… genau, Johanna Louise. Und danach glaubte jeder, es sei vorbei. Aber nein, dann töteten sie das Kind aus der ersten Ehe seiner Frau, den Vater des Jungen und außerdem einige Bedienstete in Kalifornien.
Erik Ponti bestellte einige Dinge aus dem Archiv und machte sich gleichzeitig Notizen auf seinem großen Schreibblock, eine Gewohnheit aus frühen Zeiten als Journalist.
Er zog einen Strich quer über den Block und sah erstaunt auf die Armbanduhr.
Mit dem Wahlsieg der Sozis wurde Hamilton überraschend zum neuen Säpo-Chef ernannt und nahm ebenso überraschend an.
Die neue Regierung hatte ihn gleichzeitig befördert und zwei Besoldungsstufen nehmen lassen. Sie hatten ihn zum Vizeadmiral ernannt, was zahlreiche Militärs erbost hatte. Das war im Augenblick unwesentlich, doch der Grund war unbestätigten Berichten zufolge, daß Hamilton Forderungen gestellt hatte: Er wollte deutlich
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