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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wären, ob sie nun aus einem Schloß oder einer Hütte stammten, hätten weder Polizei, Staatsanwalt noch Gericht große Umstände gemacht. Wahrscheinlich wäre er dann für all die denkbaren Delikte verurteilt worden, auf Jahre im Knast verschwunden und zum letzten Mal Traktor gefahren, zumindest legal.
    Doch so wie die Dinge standen und angesichts dieses Glücks im Unglück würde der Staatsanwalt wahrscheinlich die Trunkenheit am Steuer und die Unfallflucht unter den Tisch fallen lassen und nur das Verkehrsdelikt und die fahrlässige Tötung vor Gericht bringen. Und dort würde Åla-Nisse zu seinem Erstaunen entdecken, daß sein Fall das Interesse der Massenmedien erregt hatte und er überdies so etwas wie ein Volksheld geworden war. Am Ende würde er mit einer kleineren Geldstrafe davonkommen. Rein juristisch wäre das natürlich total daneben, aber, wie Martinsson gesagt hatte, so ganz falsch konnte es doch auch nicht sein?
    Es gab jedoch noch eine verkehrstechnische Frage, die bedeutend ernster war, da sie die Ermittlungen in dem Mordfall betraf. Wallander war nämlich der Ansicht, daß diese Ermittlungen noch längst nicht beendet seien, und das trotz der triumphalen Meldungen, die Björk neulich auf seiner Pressekonferenz verbreitet hatte.
    An und für sich war es gut, daß Björk diese irrige Ansicht verbreitet hatte, so daß sie jetzt in allen Medien zu finden war. Dadurch blieb mehr Zeit zum Denken und Arbeiten.
    Wallander nahm sich einen Notizblock und legte ihn auf seine fast leere Schreibtischplatte. Er hatte noch rund eine Stunde Zeit, bis er zum Krankenhaus hinunterfahren konnte, um festzustellen, ob der überlebende Mörder der schwedischen Polizei etwas zu sagen hatte.
    Zeit und Ort, woher wissen? schrieb er oben auf das leere Blatt und unterstrich es zweimal.
    Den Weg nach Vrångaholm zu finden war im Grunde nicht sehr kompliziert. Das Schloß war auch auf den Schonen-Karten verzeichnet, die in jedem Mietwagen lagen. Dort lag das Problem nicht.
    Woher wußten aber zwei sizilianische Berufsmörder, daß das Opfer sich gerade an diesem Abend auf Vrångaholm aufhalten würde? Woher wußten sie, daß ihr Opfer nur zwei Sicherheitsbeamte bei sich hatte? Oder wußten sie sogar, daß ihr Opfer die Gewohnheit hatte, seine Sicherheitsleute wie etwas zu behandeln, was die Katze ins Haus geschleppt hatte? Woher wußten sie, daß sie in einiger Entfernung vom Schloß parken mußten, nämlich in einer Kurve der Allee, so daß man sie von der Position vor dem Haupteingang aus nicht sehen konnte, welche die Sicherheitspolizisten eingenommen hatten?
    Wallander zeichnete das Schloß, die Allee und den Wagen mit den zwei Sicherheitsbeamten auf das leere Blatt.
    Vielleicht haben sie ganz einfach improvisiert, dachte er. Gerade dieses Vorgehen schien nicht ganz unmöglich zu sein. Die Mörder parken vorsichtig ein Stück entfernt, in genügender Entfernung, um nicht gesehen zu werden, und in ausreichender Nähe zum Schloß, um schnell zum Wagen zurückkehren und flüchten zu können.
    Sie entdecken die beiden Polizeibeamten, die sich übrigens in einem Auto befinden, das tatsächlich sehr deutlich verkündet, daß es ein ziviles Fahrzeug der Polizei ist. Die Sizilianer gehen um das Schloß herum, ohne entdeckt zu werden, da niemand im Haus in der Dunkelheit etwas sehen kann und weil die beiden »Wachtmeister« nun mal in ihrem Wagen sitzen.
    Die Italiener mußten gesehen haben, daß die ganze Gesellschaft beim Essen saß. Warum sind sie da nicht einfach ins Haus gegangen? Waren sie so kalt und beherrscht, daß sie auf eine bessere Gelegenheit warten wollten? Was könnte besser sein als eine große Tafel, an der alle sitzen?
    Die Täter konnten doch wohl nicht wissen, daß alle Essensgäste sich anschließend in einen kleinen Raum im Obergeschoß drängen würden? Außerdem war es kalt draußen. Wie schafften sie es dann, in ihren dunklen Anzügen Stunde um Stunde zu warten?
    So konnte es sich also nicht abgespielt haben. Die Mörder mußten viel später gekommen sein. Waren sie darauf eingestellt gewesen, erst dann zuzuschlagen, als die Gäste das Schloß verließen? Hatten sie demnach vorgehabt, zunächst die beiden Sicherheitsbeamten zu erledigen?
    Wallander erkannte, daß er auf seine selbstgestellten Fragen keine sonderlich überzeugenden Antworten erhalten würde. Das Wesentliche blieb, wie er die Angelegenheit auch drehte und wendete: Die Mörder mußten entweder von einem der Gäste, den Gastgebern oder von dem

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