Über jeden Verdacht erhaben
erkennbar werden lassen, daß der Säpo-Chef keinesfalls dem Reichspolizeichef unterstellt war; es war wohlbekannt, was Hamilton über einen Reichspolizeichef dachte, »dessen Hauptarbeit bei Kinopremieren und frühmorgens auf Fernsehsofas bewältigt wird, was ein so großartiger Einsatz ist, daß er sich im Dienst genötigt sieht, vor Kindertagesstätten zu schnell zu fahren«. Etwa in der Richtung.
Dann kam der Mord an seiner Frau und dem Sohn. Man glaubte zu wissen, wie es passiert war und wer schuldig war – ein verschwundener ABAB-Wachmann.
In der Hinsicht war nicht viel zu tun, da blieb nur eine Rekapitulation. Später am Nachmittag würde man vielleicht die moralischen Fragen ansprechen können, da man hinterher immer schlauer ist. Beispielsweise die Frage, ob es richtig gewesen sei, Hamilton zum Säpo-Chef zu machen, obwohl über ihm selbst und seiner Familie diese ewige Todesdrohung geschwebt hatte.
Ebensogut konnte man das Ganze aber auch umdrehen, das vielleicht sogar lieber, um einen positiven Blickwinkel zu finden: Was für einen Sinn hatte Hamiltons Leben noch? Wo lag der positive Auftrag, dem er den Rest seines traurigen Lebens widmen sollte? Aha, der Chef der Säpo, natürlich. War dies der Gedankengang der Regierung gewesen, Lars Kjellsson? Natürlich hatte die Regierung so gedacht.
Und sachlich gab es keinerlei Grund, diese Einstellung zu ändern. Es war ja keineswegs so, daß die Mutter des Säpo-Chefs verschont worden wäre, wenn… Nun ja, Hamiltons Mutter wäre nie verschont worden, welchen Beruf oder welche Funktion er in der schwedischen Gesellschaft auch gehabt hätte.
Ein interessanter Blickwinkel. Erik Ponti rief den neuen und alten Staatssekretär in der Kanzlei des Ministerpräsidenten an, Lars Kjellsson, staunte, daß er die alte Telefonnummer behalten hatte, und staunte ebensosehr darüber, daß am anderen Ende sofort abgenommen wurde.
Kurt Wallander verabscheute Pressekonferenzen. Das Gefühl des Unbehagens hielt sich und nagte noch nach zwei Tagen an ihm. Björk war hinterher über ihn hergefallen und hatte ihn wegen seiner sauren Miene kritisiert und gelinde gesagt eingehend das Recht der demokratischen Gesellschaft auf Offenheit dargelegt sowie auf die eindeutige Schuldigkeit der Behörden hingewiesen, mit den Medien zusammenzuarbeiten. An diesen Argumenten war intellektuell nichts auszusetzen, doch was Wallander gegenüber Björks demokratischer Gesinnung so mißtrauisch machte, war der spürbare Eifer, den der Polizeidirektor immer dann an den Tag legte, wenn er Anlaß sah, diese sehr spezielle Form der Demokratie umzusetzen. Außerdem gab es einen selbstverständlichen Gegensatz zwischen Medien und Polizei, besonders bei Ermittlungen in einem Mordfall, der noch nicht aufgeklärt war. Die Medienleute wollten möglichst viel erfahren und möglichst viele saftige Details in die Finger bekommen. Die Polizei hatte eher ein Interesse daran, möglichst viele Details für sich zu behalten, da es sich später als entscheidend erweisen konnte, ob ein Zeuge oder ein Verdächtiger wichtige Erkenntnisse aus den Zeitungen hatte oder nicht.
Doch jetzt hatte man glücklicherweise beide Täter erwischt. Oder richtiger: Durch Gottes Vorsehung oder durch das unverhoffte Eingreifen des notorischen Trinkers Åla-Nisse war die Flucht der beiden Täter sehr kurz geraten.
Wallander hatte mit Hilfe der Interpol-Sektion in Stockholm beide Täter identifizieren lassen Sie hießen Guido und Salvatore Sanglieri, waren entweder Vettern oder Brüder, jedenfalls Sizilianer. Sie hatten Verbindung zu derselben Mafia-Organisation, die schon einmal in der Nähe des Säpo-Chefs gewütet hatte. Der überlebende Mann, der unten in der Beobachtungsabteilung des Krankenhauses von Ystad allmählich wieder zum Leben erwachte, war Salvatore. Zwei Mann der Schutzpolizei hielten vor seiner Tür Wache, was vielleicht nicht ausreichend war, da die Medien inzwischen in Erfahrung gebracht hatten, wo sich der Mann befand. Sie hatten seinen Aufenthaltsort veröffentlicht. Die Ärzte weigerten sich jedoch, den »Patienten« aus ihrer Obhut zu entlassen, bevor er »ohne jedes medizinische Risiko« transportfähig war. Es wäre trotzdem bedeutend angenehmer für die Polizei gewesen, ihn in ihrem Gebäude in sicherer Verwahrung zu wissen.
Die Ärzte hatten für den Nachmittag ein kurzes Verhör des »Patienten« genehmigt, vorausgesetzt, daß es bis dahin keine medizinischen Komplikationen gegeben habe; der Mann habe eine
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